Alles, was gegen die Natur ist, hat auf Dauer keinen Bestand – Charles Darwin.

Wir sind das Produkt von über 50.000 Generationen der Entwicklung, Anpassung und Selektion in einer rauen, unwirtlichen Umgebung. Über eine Million Jahre in der menschlichen Entwicklungsgeschichte bedeutete es das Todesurteil, hatte man nicht die richtigen Mittel zum Überleben und setzte sie entsprechend ein. Deine Gefühle, dein Körper, dein Geist, alles, das heute noch in dir lebendig ist, hatte seinen Wert und half in irgendeiner Form zu überleben. 

Persönliche und gesellschaftliche Handlungen bauten ganz stark auf unserer gesamten Gefühlswelt auf. Positiv wie negativ. Unbewusst ergab sich direkter Nutzen aus Gefühlen wie Freude, Dankbarkeit, Zufriedenheit … aber auch aus Ärger, Wut und Zorn.  

Zudem bewegte sich der frühe Mensch ständig, ob beim Jagen von Tieren oder viel später in der FeldarbeitDeshalb funktioniert dein Körper perfekt beim langen schnellen Gehen oder langsamen Laufen und zeigt es dir mit wohltuenden Zuständen. Angenehme Glücksgefühle durchströmen ihn.  

Je mehr du dich in deinem Alltagsleben davon entfernst, desto fremder fühlen sich dein Körper und Geist in dieser ihm aus seiner Herkunft unbekannten Welt. Als hätte man einen Pinguin in die Wüste von Nevada gesetzt. 

Kaum eine der früher notwendigen Fähigkeiten spielt in der heutigen Zeit eine überlebenswichtige Rolle.

Die gesamten, mühsam eingerichteten Abläufe auf Basis von Bewegung, Gefühlen und Hormonen spielen sich heutzutage meistens nur mehr ersatzbefriedigt in der Sportfreizeitwelt ab.

Der Überfluss an Essen in Kombination mit eineMangel an Bewegung führt so – natürlicherweise – zu ÜberfettungEin nahrhafter Boden für Wohlstandskrankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Bluthochdruck, Diabetes. Unsere Lunge überlebt das Rauchen wohl nur wegen des Trainings aus unserer Vergangenheit. Ob sitzend in der Höhle am Feuer oder später durch die unvollständige Verbrennung von Kohle oder Holz zum Heizen und Kochen in kleinen Räumen – an schlechte, rauchige Luftverhältnisse ist unser Körper gewöhnt. Die Alkoholverarbeitung unserer Leber verdanken wir einer Fähigkeit aus der Frühzeit, wo es um die lebenswichtige Verdauung von vergorenen, fermentierten Früchten gegangen ist. 

Wie sieht es da nun mit unserem urtümlichen Geist in der heutigen Welt aus?

Du hast ein ungemein schnelles und variantenreiches Gehirn, seine Funktion ist das Denken. Richtig eingesetzt bringt es in kurzer Zeit enorme Entwicklungen hervor und kann sie auch umsetzen. 

Die Masse der Menschen hat sich in den letzten 50 Jahren sukzessive in einen Schlafwagen gesetzt und ist nur mehr mitfahrend Sich mit voller Kraft fürs Leben einsetzen ist nicht mehr nötigSchon gar nicht fürs Überleben. Die Umgebung ist sicher, es lebt sich gemütlich. So schön es scheint, Körper als auch Geist verkümmern nach und nach. 

In einer vergangenen Welt gab es keine Verlässlichkeit. Keine täglich gleiche Wiederholung. Keine Institutionen, die man anrufen konnte, wenn es ein Problem gab. Keine Notfallnummer für den Ernstfall. 

Im Gegenteil, jeder Tag war anders und konnte von einem Moment auf den anderen Überraschungen bieten, die teilweise lebensbedrohend waren. Alles war extrem auf Überleben ausgerichtet. Von der Problemlösungsfähigkeit bei der Nahrungsfindung und Tiererlegung zum Weitblick betreffend die Vorsorge für karge Zeiten und unwirtliche Wetterbedingungen oder aber der Notwendigkeit, in Sekundenschnelle zu reagieren und mit der vollen körperlichen Energie eine akute Situation zu meistern. Alles hatte seinen Platz in der Abfolge von Gefühlen, Hormonen, Gedanken und körperlichen Funktionen. Nichts war unnütz oder vergeudet. 

Es war wichtig möglichst energiesparend zu leben aufgrund des ständig möglichen Nahrungsmangels und dann trotzdem in kurzer Zeit auf Maximalleistung schalten zu können. 

Der Mensch hat sein Gehirn aufgrund von Herausforderungen und Abwechslung dorthin gebracht, wo es jetzt ist und nicht durch Langeweile und ständig gleiche Abläufe.

Ja, alltägliche Routine ist wichtigauch für Abläufe im Kopf, aber nur deshalb, damit genug freie Kapazität bleibtum mit ungewöhnlichen Situationen in der Gegenwart schnell umgehen zu können. Das Gehirn ist wie ein Muskelder trainiert werden muss, damit er für das Außergewöhnliche fit und bereit ist. 

In den letzten Jahrzehnten wurde der Mensch in Watte gebettet. Warum eigentlich? Wer hatte einen Vorteil daraus? Entwickelte sich dies aus der Notwendigkeit heraus, aufgrund des starken Bevölkerungswachstums alle möglichst gleichzuschalten und den – echten – freien Willen wo nur geht auszuschalten? Werbung, Marketing und jede Form von Social Media hat nur ein Ziel nämlich die Gleichförmigkeit von großen Massen von Menschen. Haben alle die gleiche Form lässt es sich leichter führen und damit auch manipulieren. 

Das Gehirn ist immer da, hat noch immer die ureigenen Fähigkeiten, aber muss sie nicht mehr zwingend nutzen.

Was macht es daher in der heutigen Welt? Wir haben ein hochkomplexes Gehirn zur Verfügung. Es arbeitet 24/7. Sein Job ist denken. Was alles zu tun ist, was alles passieren kann, was alles schon passiert ist, was alles nicht passt, Probleme, Konflikte werden wieder und wieder durchgespielt, bewertet, Schuldfragen gestellt, beängstigende Zukunftsvorstellungen auf die geistige Leinwand projiziert. Schön schaurig. Irgendetwas muss es ja denken. Irgendetwas muss es ja tun. Da ist die heutige Medienlandschaft ein wunderbarer Nährboden.

Immerhin kann es in diesem Denkmodus seit der Pandemie auf Hochtouren laufen, kann sich aufhängen an allen Dingen, die genommen wurden, die jetzt nicht mehr gehen: An all den Entscheidungen, die getroffen wurden, an allen Schwierigkeiten und Veränderungen. Und immer gibt es wen, der schuld ist, unfähig oder unfair. Wer bekommt zu viel, wer bekommt zu wenig, was steht einem zu. 
Das Gehirn freut sich: endlich richtig Arbeit! Endlich Vollgas geben beim Denken! Nachrichten reinziehen, Social Media scannen, die passenden Anknüpfungspunkte finden und los geht’s! Da kann es sich so richtig festschnüren an all den Dingen im Außen! Dazu die Anlässe im Innen:  Die Kinder zu Hause, es ist schwer sich auszuhalten auf Dauer, sorgenvolle Gedanken, dass sie wohl genug lernen, nicht verloren sind, eingehen wie Pflanzen, die nun von außen nicht mehr bekommen, was sie brauchen. Es wird eng und enger. Die Komfortzone ist nicht mehr bequem! Das interessiert dein Gehirn jedoch recht wenig!  Es kann vergleichen, über andere reden, dich gedanklich volltexten – es ist dem Gehirn egal, ob das, was es denkt, stimmt oder nicht stimmt! Es ist dem Gehirn egal, ob es das, was es denkt, dir gefühlsmäßig guttut oder nicht. 

Mit dem gedanklichen Kreisen um all die Auslöser und deren Bewertung bindest du dich immer fester daran. Mit jeder Wiederholung verstärken sich die ausgelösten Gefühle.

 

All diese Gedanken erzeugen Angst. Angst zu kurz zu kommen. Angst, dass andere mehr bekommen. Unsicherheiten, wann wieder was gemacht werden kann, Unsicherheit, wie es weitergeht. Angst, dass etwas Schreckliches passiert.  Die Angst flutet den Körper und spült sich mit der nächsten Welle wieder ins Gehirn: Du, da ist Angst. Bitte schau dich um, was da noch sein kann.  Blitzschnell hält dein Gehirn Ausschau. Hui, wie wahr! Da gibt es noch viel mehr, was einem auch noch Angst machen kann. Gefahr erkannt. Angst verstärkt. Das ist Erfolg! Auf der ganzen Linie! 

Geht aber auch mit Ärger: die Kinder, der Partner, der Chef, die Regierung! Die ganzen Ungerechtigkeiten! Sinnlosigkeiten! Entscheidungen, die nicht nachvollzogen werden können oder die schlichtweg abgelehnt werden. Eine Frechheit! Und während das Gehirn die Umgebung bewertet, vergleicht, Schuld und Schuldige sucht, stellen sich die Gefühlvon Ohnmacht und Ärger ein. Nisten sich ein, breiten sich aus und meldet schließlich zurück ans Gehirn: Da ist was im Argen! Da ist Ärger! Ich bin schon voll genervt und gereizt, meldet der Körper nach oben! Bitte schau, woran das liegen kann. Und wieder! Eilig nimmt das Gehirn den gefühlsmäßigen Auftrag an und schaut sich um. Scannt das Umfeld. Und wenn wir schon dabei sind: Wie es da schon wieder ausschaut!  

Der Mechanismus funktioniert!  

Es wird enger, der Druck steigt, das Gehirn läuft auf Hochtouren! 

Nun meldet sich die Wut. Ein inneres FeuerHeißes Aufwallen, unterschwelliges Köcheln, vor sich hin kochen. Es dampft. 

Wohin nun mit dieser Wut? Was damit machen? 

Ja, was können wir nun aus dieser Pandemie für uns persönlich mitnehmen und lernen? Gibt es nicht immer wieder in der menschlichen Entwicklung Phasen der Not und Krankheit die selbstreinigend und stärkend waren? Der Unterschied aktuell ist bloß der, dass wir nichts davon mehr gewohnt sind. Wir habe keine persönlich erlebten Vergleiche und sind vielleicht gerade deshalb schockiert oder überfordert mit dieser Situation.  

In dir kocht die Wut: links geht es in blinder Wut GEGEN Auslöser, in deiner Mitte re-fokusierst du dich um danach sinnvolle, konstruktive Wege zu finden

 

Wut – Antrieb zur Veränderung! 

Wut und Zorn sind per se nicht unbedingt negativ besetzt. Wie immer geht es um Ursache und Wirkung. Wut und Zorn wecken auf, schärfen die Sinne, machen uns stark gegenwartsbezogen. Es war früher ein überlebenswichtiger 6. Gang, auf dem man geschalten hat, wenn die Extraenergie zur Überwindung von großen Gefahren oder Hindernissen unbedingt notwendig war. 

Diese Wut hatte den klaren inneren Auftrag etwas umzusetzen, aus der Starre sich schnell in Bewegung zu bringen. Nach dem Motto jetzt ist aber Schluss, so geht es nicht mehr weiter, ich brauche schnell eine Lösung, jetzt muss etwas passieren.

In diesem Augenblick hast du es in der Hand diese Handlungsvollmacht konstruktiv oder destruktiv einzusetzen. Wir können es uns und anderen beweisen, dass wir es draufhaben und den Karren wieder in Gang bringen oder zerstörend und verletzend agieren.  

Wut rüttelt dich auf! Es gibt selbstverständlich Auslöser im Außen: das Verhalten von anderen Menschen, was sie sagen oder tun oder umgekehrt, wenn sie Bestimmtes nicht sagen oder nicht tun, wenn Dinge und Entwicklungen, die sich anders darstellen, als du es dir erwartet oder gewünscht hättest. Veränderungen und damit verbundenes Abschiednehmen von dir liebgewonnenen Menschen, Tätigkeiten, Möglichkeiten. 

Mit deiner Wut dampfst du nach außen. „Das gibt`s ja nicht, dass der …“ oder „Das kann jetzt aber nicht sein!“ oder „Das kann man doch nicht machen ….!“ 

Im ersten Moment glaubst du sogar zu wissen, worum es dir geht, warum du wütend bist: 

Sie zeigt dir, dass es etwas in dir gibt, dem du unbedingt Beachtung schenken sollst! Etwas, das dir persönlich wichtig ist! Etwas, das du in der Hand hast! Etwas, um das du dich kümmern sollst und für das du Lösungswege finden kannst! 
Dieses Etwas sind deine dir innewohnenden Bedürfnisse, Interessen und Anliegen, die wahr- und ernst genommen werden wollen. In erster Linie von dir selbst! 

In dem Moment, wo du deiner Wut folgst und deine Aufmerksamkeit weg vom Auslöser im Außen hin zu dir richtest, kommt Bewegung in die Sache.

Was sollst du in Angriff nehmen? Worauf sollst du achten? 

Da wir es nicht gewohnt sind, ist es oft gar nicht so leicht, das zu erkennen! 

Ich erinnere mich an einen Konflikt zwischen einem Bauträger und uns als Wohnungseigentümer. Als er mir kurz vor einer Hausversammlung zwei Mails mit komplett unterschiedlichem Inhalt in Bezug auf die Sache geschickt hatte, wallte der Ärger in mir hoch: So eine Unverschämtheit! Was glaubt denn der? Dass wir blöd sind?
Rasch war mir klar, dass es mir um Respekt ging. Um Ehrlichkeit und Vertrauen. Trotz dieses Wissens rumorte es in mir. Ein untrügliches Zeichen, dass es um mehr ging. Ich folgte der Wut und erkannte plötzlich, dass es jetzt am wichtigsten um Schutz ging: Um den eigenen Schutz, um den Schutz unserer Gemeinschaft, um rechtlichen Schutz (dass wir keine Fehler machen und etwas übersehen würden) und um finanziellen Schutz. Klar spielte alles andere auch eine Rolle, doch Schutz war nun das Wichtigste! Als mir das bewusst und klar wurde, entspannte sich mein Körper sofort. Ich grinste. Außen hatte sich nichts verändert. Doch in mir war ich sicher und klar und wusste blitzartig genau, was ich zu tun hatte. Für meinen und unseren Schutz. 

Wie dieses gibt es unzählige Beispiele vom Wandel der Wut.  

Wut ist also dein Turboschalter! Unbewusst lockt sie dich, sofort und blind loszulegen, auf Angriff zu gehen. Schnell kommen in schwierigen Situationen Gedanken der Ausweglosigkeit auf, du fühlst dich in die Ecke gedrängt. Hängst du dich daran auf, bleibt dir oft nur der destruktive Ansatz als Lösungsweg übrigum Dampf aus dem geistigen Druckkochtopf abzulassen. Entweder kämpfst du dann gegen den Auslöser oder gehst andere Menschen an oder erstarrst in Ermangelung scheinbarer Handlungsoption, bis das Feuer der Wut in dir erlischt und einen rauchenden Aschehaufen Resignation zurücklässt. Resignation sagt dir, dass es eigentlich um Sinn ginge. Dass es – und so klug bist du dann selbst gewesen – keinen Sinn macht an der falschen Stelle zu suchen und zu handeln.  

Resignation gibt dir zu verstehen, dass du den Sinn suchen und somit den richtigen Grund verstehen sollst.

In dem Moment, wo du ihn verstanden und gefunden hast, verzieht sich die Resignation und macht vollem Tatendrang Platz.  

Verstehst du eigentlich, was deine Wut dir sagen will?

Tatsächlich warnt sie dich davor an der falschen Stelle zu suchen, falsche Aktionen zu starten! Sie läutet Sturm! In dir! Egal, was im Außen ist: Schau hin, was jetzt wichtig ist! Nimm das wahr! Nimm das ernst! Die Entspannung folgt auf den Fuß, die Wut hat ihren Sinn erfüllt. Sie hat dich bewegt, die richtige Türe zu erkennengedanklicher Spielraum öffnet sich: Was könntest du jetzt für dein Bedürfnis und dich tun? Jetzt kommt Bewegung in die Sache. 

Wut schreit nicht in dir etwas GEGEN ein Problem, eine Sache, einen Auslöser tun und destruktiv zu handeln, sie alarmiert dich, das jetzt WESENtliche wahr- und ernst zu nehmen und etwas FÜR das zu tun, das für dein Leben und dich jetzt essentiell ist. 

 

Benennen der Sache – Verstehen, was wirklich wichtig ist – Handlungsmöglichkeiten für das Wichtige suchen! So lautet der befreiende Dreierschritt! 

Je besser du gelernt hast, Herausforderungen anzunehmen und je öfter du dich selbst aus schwierigen Lebenssituationen manövriert hast, desto öfter wird auch die konstruktive Wut über die destruktive siegen. 

Lernen wir wieder UNS zu bewegen UNS zu fordern körperlich wie geistig!