Aufkommende Böen peitschen Regentropfen heftig an die Fensterscheibe. Mit dem Sturz der Außentemperaturen kriecht die Kälte ins Innere. Gänsehaut, sobald du Arm oder Bein aus der Decke streckst. Wie schön wäre es doch jetzt, gemütlich im kuschelig warmen Bett zu bleiben und eine heiße Tasse Frühstückskaffee zu genießen. Die Welt da draußen einfach sein lassen! Niemand, der etwas von dir braucht. Keiner, der dich aus deiner warmen Höhle zieht und zehrt. Du musst nicht hinaus, du musst nichts rechtfertigen, du musst niemanden etwas beweisen. Du nimmst dir Zeit für dich. Ach ja, und wie wäre es denn da, wenn auch kein Handy, Laptop oder eingeschalteter Fernseher in deiner Reichweite wäre? Niemand Zutritt gewähren in deine Welt. Gedanken, Wünsche, Bilder anderer bleiben draußen. Du löst dich aus dem Würgegriff ständiger Präsenz für andere.
Wohliger Zustand des bei dir seins. Wie angenehm, wenn du dir RAUM für dich gibst. Dich wahrnimmst. Dich spürst. Dich deinen Gedanken hingibst. Dein Tag. Wie schaut dein Tag idealerweise aus? Heute beispielsweise. Die kommende Woche oder überhaupt deinen Alltag betreffend. Wie würden deine Tage idealerweise ausschauen?
„Darf man denn das überhaupt tun?“, taucht es sofort mit rügendem Unterton im Kopf auf. Ein klassischer Totschläger für viele angenehme und wohltuende Seins-Zustände. Wir sind gut erzogen und noch besser trainiert von unterschiedlichsten gesellschaftlichen Dogmen. Ganz ohne Seminar! „Darf ich mir überhaupt meinen idealen Tag wünschen? Ihn mir einfach einmal in Gedanken vorstellen? Ihn mir ausmalen?“ Wie oft scheitert die Frage bereits hier. Ja, warum eigentlich?
Welche Grenzen tun sich da auf?
Du erlaubst es dir nicht.
Was hindert dich? Bist du dir das etwa nicht wert? Du gönnst dir traum-hafte Momente nicht? Oder darfst du das nicht, weil allein der Gedanke daran egoistisch wäre? Und das möchtest du nun wirklich nicht sein.
Du kannst dir das nicht vorstellen.
Du bist Realist. Kein Träumer. Dir fällt nichts ein.
Alles oder nichts.
Dir fällt so viel ein, was du gerne machen und wie du gerne leben möchtest. Locker und leicht könntest du viele Tage füllen. Einen idealen Tag daraus zu kreieren, wird schnell zu einem mathematischen Rätsel. Schließlich hat auch ein idealer Tag nur 24 Stunden. Schon wieder stressig. Wie soll sich das alles ausgehen? Dabei ist noch nichts dabei, was du eigentlich tun musst. Es geht sich beim besten Willen nicht aus, also kannst du es gleich sein lassen.
Die Vorstellung ist zu schmerzhaft.
Wo du gerade im Leben stehst, ist es alles andere als lustig. Da willst du nicht von Tagen träumen, die du doch nicht haben kannst. Das willst du dir selbst nicht antun! Du kannst nichts ändern. Nicht auch noch auf die Wunde greifen.
Dafür hast du keine Zeit.
Sobald du an einen idealen Tag denkst, gehst du von deiner Muss-ich-machen-Liste aus. Du verbindest die Eingangsfrage damit, wie du alles unterbringen kannst. Hundert Dinge. Hundert Dinge, die wichtiger sind (als du), die auch noch gemacht gehören, es gibt genug, wo du schon im Verzug bist. Danke! Schon genug geträumt. Besser du gehst es gleich an, bevor der Druck schlimmer wird.
Ja, wäre schön, aber so wie dein Leben ist, geht das wirklich nicht.
Wie viele dieser Themen, die sich da melden, sind für dein eigenes und für dein persönliches Wohlbefinden relevant? Oder sind es doch eher viele Dinge, die für andere und das System von Wert sind? Bist du schon ein Revoluzzer, wenn du dir still und heimlich Zeit für dich und deine eigenen Bedürfnisse abzweigst? Der Tag hat 24 Stunden und das Leben ist endlich. Wenn du also persönliche Zeiträume für dich schaffen willst, so bedeutet das zwangsläufig, dass das auf Kosten von etwas anderem geht, das bisher den Tag gefüllt hat. Selbstverständlich nimmst du weder deinen wohlverdienten Schlaf noch deine Essens- und Körperpflegezeit als Basis für Abkürzungen.
Was kannst du tun, um oben genannte gedankliche Grenzen zu sprengen?
Erinnere dich: es geht um dein persönliches Wohlbefinden! Wie wäre es, wenn du in der Früh aufwachst und dich richtig freust auf das, was an Tagesaktivitäten auf dich wartet? Nein, nicht dieses beklemmende, bedrückende, lähmende Gefühl verbunden mit Gedanken wie „oje, das habe ich noch nicht gemacht und wie wird das werden oder nein das geht sich nicht aus, das werde ich nicht schaffen…“ Sondern du freust dich auf einen Tag, der dir Freude macht! Du bist motiviert, inspiriert, einfach erfüllt durch das, was kommt und du tun wirst.
Oft kommt an der Stelle das Argument, ja das wäre schön, geht jetzt aber nicht, vielleicht in der Pension. Warum ist das so? Sind wir Sozialschmarotzer, Gesellschafts- und Systemverweigerer, wenn wir in so eine eigene, wohltuende Wunschwelt einsteigen? Oder geht es viel mehr darum, dass wir es einfach zulassen sollten, unseren persönlich richtigen Platz in der Welt zu finden. Wenn viele Menschen das Falsche tun und damit Plätze besetzen, die für sie unpassend sind, dann müssen vielleicht auch viele Menschen auf anderen für sie unpassenden Plätzen verharren.
Denk darüber einmal nach. Wäre es nicht viel angenehmer für alle, wenn mehr Menschen die Chance ergreifen würden und sich durch Veränderung an einen Ort zu begeben, wo sie aufblühen und sich entfalten können? Die Vielseitigkeit und Unterschiedlichkeit der einzelnen Individuen macht es möglich, dass für jeden irgendwo ein richtiger Platz wartet und trotzdem das große Ganze funktioniert, vielleicht sogar ungleich besser.
Wie ist das mit der Zeit?
Wie willst du sie verwenden? Sie läuft unaufhörlich wie ein Timer Richtung Null. Kannst und willst du es dir leisten, in Zuständen zu verharren, die nicht für dich gemacht und nicht passend sind? Im falschen Job, am falschen Ort, mit dem falschen Partner? Vielleicht sind es auch nur Kleinigkeiten, die drücken? Gewohnheiten, die dir schaden? Gedankenmuster, die dir Freude rauben?
Es wird am Ende, wenn die Uhr abgelaufen ist, kein besonderes Lob für die Menschen geben, die das Falsche perfektioniert und auf die Spitze getrieben haben, so viel ist sicher.
Wie ist das mit der Zeit?
Wer ist Herr oder Frau über DEINE Zeit? Doch wohl sicher und ganz und gar du selbst! Du kannst eingreifen und selbst bestimmen, wie du die sich dir noch bietenden Zeiträume füllst. Ja, natürlich gibt es Momente und Phasen im Leben, wo die Selbstgestaltung reduziert ist und du einfach einmal durchmusst. Doch selbst da bleibt in der sogenannten „FREIzeit“ die Möglichkeit, kleine wohltuende Zeitinseln zu schaffen.
Freizeit, die so genannte freie Zeit, wie gehst du damit um? Oder darf diese Zeit aus der Sicht der Rechtfertigung, wem auch immer gegenüber auch nicht wirklich frei gestaltet werden? Da setzen Marketing und Werbung massiv ein, das hart verdiente Geld der Berufszeit muss zurückfließen in die Wirtschaft! Möglichst umgehend. Wie war das denn im ersten Lockdown, als bis auf Lebensnotwendiges alles zu war? Von heute auf morgen war Schluss mit Lokal- und Konzertbesuchen, Sportaktivitäten und Reisen, Shopping und Einkaufsorgien. Das neue Biedermeier in den eigenen vier Wänden war ausgerufen, aufgelockert durch Spaziergänge und Zeit in der Natur. Wie von selbst öffneten sich neue Zeiträume. In Ruhe zuhause bleiben und sich mit sich selbst zu beschäftigen, lautete die Verordnung.
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und sind die Zeiträume nur lange genug, werden aus den neuen Angewohnheiten wieder automatische Prozesse. Seit mehr als einem Jahr sind viele soziale Bereiche eingeschränkt. ALLE füllten diese frei gewordenen Zeiträume auf ihre persönliche Art und Weise. Bald ist wieder alles möglich. Die Werbeindustrie läuft auf Hochtouren, drängt und lockt, um das schöne, gute alte Leben wieder als das Ideal für die nahe Zukunft nach der gesamtheitlichen Öffnung als das einzige Heil zu verkünden. Schließlich gibt es scheinbar ein klares Ziel: Alle können wieder alles machen! Endlich wieder …
Wie ist das mit der Zeit?
Wie ist das mit deinem RAUM?
Willst du es dir jetzt persönlich für dich herausnehmen und selbst entscheiden, was bleiben darf?
Willst du jetzt dein Wunschbild zulassen?
All diesen Gedanken FREI-RAUM geben, braucht Zeit. Ein erster Schritt.
Schau dir alles diese Gedanken an. Kuschelig eingepackt in deine warme Decke beobachte das Treiben in deinem Kopf. Räume die schweren, hinderlichen, belastenden, bedrückenden, Gedanken zur Seite. Alle jene also, die dir unangenehme Gefühle machen und dir im Weg stehen. Mache weiter ORDNUNG: Was ist „deines“? Was gehört den anderen? Räume auch das mal weg. Lege zart sprießende „Was-wären-wenn-Ideen“ frei und seien sie nicht mehr als der Hauch eines Gefühls.
Durchforste dein Leben und liste auf:
- HABEN: Was hast du alles?
- MACHEN: Was tust du alles?
- SEIN: Was bist du alles?
Frage dich:
- Was davon magst du nicht?
- Nicht mehr?
- Nicht mehr haben – machen – sein?
- Wovon möchtest du dich trennen? Was möchtest du nicht mehr tun?
Erlaube dir, dich zumindest einmal gedanklich davon freizumachen! Wie fühlt sich das an?
Unglaublich leicht? Luftig? Ruhig? Frei?
Achtung, wenn sich dir „Wie soll das gehen?“ und „Das kann nicht gehen“ Gedanken in den Weg stellen! Es geht noch nicht ums Umsetzen, ums Tun im Außen!
Du tust bereits. Im Innen.
Räumen ist tun, auch wenn es innerlich ist.
Räumen braucht Zeit. Innen wie außen.
Deine Zeit ist dein RAUM! Dein Lebensraum.
Wie ist das mit der Zeit?
Wie ist das mit deinem RAUM?
Hast du entschieden, was bleiben darf?
Willst du mit den Öffnungen im Außen klare dir guttuende Lebensentscheidungen treffen, wofür du dich öffnest? Was du in dein Leben, in deinen LebensRAUM lässt?
Provokativ und wachrüttelnd meine ich „Hol dir jetzt was dir wirklich zusteht“ und lass dich dabei von niemanden beeinflussen!
DEINE Zeit läuft. Nicht ins Unendliche, sondern gegen Null gehend.
STEFAN und IRMGARD WALLNER
Auch unsere Zeit läuft!
In diesem Bewusstsein legen wir großen WERT auf unsere bewusste Lebens-Zeit-Gestaltung.
Im Zuge des Jahrestrainings LebensWERT leben verbunden und der Kontinuierlichen Beschäftigung mit unseren Jahresbedürfnissen ist nach unserer Diskussion zum Thema dieser Artikel entstanden.
Lesetipp dazu: Wenn loslassen schwer fällt
Liebe Irmgard, wieder ein sooo wunderbarer Artikel, der es wert ist mehrfach zu lesen. Da fällt es schwer, so ganz spontan ein Resümee zu ziehen.
Eines ist für mich gewiss, die unbeabsichtigt geschenkt bekommene Zeit sollten wir nicht unbedacht wieder aufgeben.
Vielen Dank für deine immer wunderbaren Texte.
Grit
Liebe Irmgard!
Danke für diesen Text.Er gibt mir Gelegenheit noch mehr Dankbarkeit für meine Pause, die ich dank meiner Reha hatte, wahrzunehmen.
Ich war umsorgt und konnte bei meinen Bedürfnissen sein.Achtsame Menschen um mich, die mich einladen, darauf zu achten, was mir gut tut.
Das möchte ich mehr in mein Alltagsleben einbauen. Bewusst spüren, was spüre ich genau jetzt, wo im Körper. Im Arbeitsleben gemeinsam eine Team-Atmosphäre schaffen, mit Respekt füreinander!
Und mich vor Aktivität in der Freizeit zu fragen:“tu ich es aus ganzem Herzen?“
Es tut so gut diese Verbindung immer wieder herzustellen. Innehalten, spüren, erst dann handeln.Das hilft mir.
Deine Worte sind sehr inspirierend für mich, ich lese immer wieder in deinen vielen Texten und finde jedes Mal etwas, was mich ganz persönlich anspricht.
Danke ♥️
Liebe Irmgard, es tut mir sehr wohl diesen Text zu lesen, wirken zu lassen mit dem Wunsch, dass ich mich im Alltag an diese Worte erinnern werde. Ich schreibe mir einige Sätze ab und hefte sie mir an Orte, die ich häufig mit meiner Anwensenheit erfreue. …so bleiben sie länger iúnd intensiver in meinem Kopf.
Schön, wie Du Worte f und innere Bilder findest, die mich einfangen und berühren. Herzlichen Dank dafür,
Andrea
Liebe Andrea,
da geht mir mein Herz auf!
Danke!
Alles Liebe, Irmgard
Liebe Irmgard,
so wohltuend sind deine Worte, so gerne lese ich deine Texte. Achtsam mit der eigenen Zeit umzugehen, ist nicht einfach. Du zeigst Möglichkeiten und Wege, ins Träumen und Darüber-Nachdenken zu kommen!
Herzlichen Dank dafür,
Elke
Liebe Elke,
vielen lieben Dank für deine Zeilen!
Ich wünsche dir schöne Träume!
Und freu mich auf Dienstag, wenn wir dem „Müssen und Wollen“ auf den Grund gehen
Alles Liebe
Irmgard