Gute Gespräche führen, wer will das nicht?  Etwas in Erfahrung bringen, dich austauschen, einfach nur plaudern. All das ist verbindender Klebstoff unseres Miteinanders, das dich in der einen oder anderen Form bereichert und WESENtlicher Bestandteil sozialen Lebens ist. Damit die Komponenten zusammenpassen und -halten brauchst es die gleiche Wellenlänge als wichtiges Grundelement. Weil wir uns dann verstanden fühlen und uns wohlfühlen. Nur wenn Sender und Empfänger wissen, auf welcher Ebene, auf welcher technischen Frequenz sie miteinander kommunizieren, kann die Botschaft, der Sinn des Gesagten auch ankommen. So kannst du dich sowohl auf die Form des Gespräches als auch auf den Inhalt einstellen. Im Zuge dessen kann es passieren, dass du als Zuhörer das Signal empfängst: „Bitte kannst du mir einfach nur zuhören?“  

 GEHÖRT WERDEN.

Sehnsucht nach wahrgenommen, gesehen werden: wie etwas für mich ist. Wie ich es erlebe. Was mich bewegt. Angenommen, ernst genommen werden: Dass es so für mich ist. Dass ich es so erlebe. Wie es mir dabei geht. Richtig verstanden werden, dass wirklich begriffen wird, wie es für mich ist und was mir wichtig ist. Was ich brauche. Wunsch nach aufrichtigem Interesse. An dem, was ich erzählen möchte, nicht, was du von mir hören willst. Eine ganz spezielle Frequenz, eine fixe Aufteilung zwischen Sender und Empfänger ohne periodischen Wechsel. Du erkennst plötzlich, dass dein WERTvolles Zuhören jetzt gewünscht ist. Sicherlich einer der eher ungewohnten Gesprächsformen, wenn nur einer spricht und der andere „nur“ zuhört.  

„Tu nichts. Sei einfach nur da.“

                                                                  Buddha 

 Ist das dann überhaupt eine Form von Gespräch?  

Ja, ist es! Es ist sogar eine sehr spezielle und besondere Form des Austausches.  Es geht dabei nicht um einen Gedanken- oder Meinungsaustausch. Nicht ums Argumentieren. Es geht nicht einmal unbedingt darum, alles Gehörte logisch nachvollziehen zu können, kognitiv verstehen zu wollen oder zu müssen. Es geht auch nicht ums Einverstanden sein oder darum, dass du das Gehörte richtig und in Ordnung findest, oder nicht. Es geht ums MIT-FÜHLEN, ums MIT-ERLEBEN dessen, was für den/die Sprechenden reales Empfinden ist. 

Wie fein für deine/n GesprächspartnerIn, wenn es da jemanden, wenn es da dich gibt! Wenn du aufrichtig daran interessiert bist! Wenn sich der/die andere so zeigen kann, wie er/sie ist. Und alles ist gut.

Ob sich dein/e GesprächspartnerIn auf eine konkrete Sache bezieht oder ob es um ein Gemisch von Auslösern im Außen geht. Wer gehört werden möchte, öffnet dir die Tür zum sonst unsichtbaren Inneren. Erzählt, was sich im Kopf abspielt an Gedanken, Erinnerungen, Meinungen, Bedenken, Vorstellungen, Träumen oder Ideen. Manchmal hörst du vielleicht unvollständige Sätze, abgerissen wie Gedankenfetzen. Oder der/die andere springt von einem Thema zum anderen, als würde das eine mit dem anderen nichts zu tun haben und hängt alles irgendwie zusammen. Wie einzelne Puzzleteile eines großen Bildes. Er/Sie zeigt sich mit all den vielfältigen, bunten Gefühlen, die gerade „lebendig“ sind. Das, was quält, beschäftigt oder schmerzt. Das, was ärgert, wütend macht und nervt. Das, was erleichtert, freut oder beglückt. All das kann sein und noch viel mehr! Es gibt so unterschiedliche Gefühle, die scheinbar nicht zusammenpassen und trotzdem wahrnehmbar sind. Dazwischen geht es um Sehnsüchte, um Anliegen, um Bedürfnisse. Um all das, was wichtig und WERT wäre und ist. 

 Die Grundvoraussetzung dabei ist es,  dass du dich von den eigenen Gedanken, Bewertungen und Glaubenssätzen für die Dauer des Gesprächs löst.  

„Ich verstehe nicht, wie man so denken kann. Ich denke ganz anders.“ Diese gedanklichen Sätze versperren dir den Zugang zum inneren Zuhause des/der anderen. Stehen dir im Weg zu echtem Kontakt, wirklicher Verbindung. 

„Ich will das nicht. Dass du so denkst, dass du so fühlst, … Ich verstehe nicht, dass man sich da Sorgen macht, … das du das brauchst. Du hast ja eh …. Du kannst es ja auch anders sehen …“ Auch das alles sind DEINE Gedanken, DEINE Bewertungen. Darum geht es nicht! Die Kunst besteht darin, das alles bei dir, in deiner InnenWELT zu lassen. Mit Herz und Seele aus dir herauszutreten, über den Tellerrand deiner Lebenswelt hinweg zu steigen und  dich auf die Reise zum anderen zu machen.

Kein Überzeugen steht im Mittelpunkt, sondern das Geschenk des Eintauchens in die Welt des Anderen. „Einfach“ mit der eigenen Stille im Raum des Gesprächspartners Platz zu nehmen.  

Dich führen lassen ohne Sinn für fixe Zeitvorgaben und Themeninhalte. Nicht dein lösungsorientierter Verstand ist gefragt, sondern das Öffnen deiner eigenen Gefühlswelt und Sinneswahrnehmung. Ein völlig anderer Kommunikationskanal entsteht damit, den du danach wieder sorgsam schließt und eine thematische Abgrenzung ermöglichst. Du hast bei und mit dem anderen neue Erfahrungen gemacht, hast etwas begriffen? Das ist nun Teil von dir. Und deinem Verständnis. 

Was macht das mit dem Gegenüber, bemerkt es den Unterschied? 

Womöglich ist es anfangs ungewohnt und fremd, wenn es zu keinen Unterbrechungen kommt.  Der/Die Andere hat plötzlich Raum und Zeit zu sprechen,  kann Nachdenken, Nachspüren, weiterziehen, ganz ohne Stress, hört sich selbst. Bühne frei fürs eigene Kopfkino. Vor Publikum verlässt es die interne Spirale, wird durch das Aussprechen nach Außen gelassen. Frei gelassen. Der innere Druck reduziert sich, obwohl die Umstände im Außen nach wie vor die Gleichen sind. Mit dem Beschreiben innerer Vorgänge, wahrnehmbarer Gefühle und tiefer Sehnsüchte und Wünsche begreift der/die andere sich selbst. Versteht sich selbst besser. Erkennt sich selbst. Teilt sich mit. 

Nimmst du An-TEIL, ist das WERTschätzung dem/der anderen gegenüber und hier besonders seiner/ihrer Persönlichkeit. So, wie er/sie jetzt gerade ist. Sich verstellen oder etwas verschweigen ist nicht nötig! Ein seltenes Gut in unserer heutigen Welt? Daraus entsteht automatisch eine wohltuende, spezielle und besondere Art des Miteinanders. Du weißt, was im Inneren des/der anderen vorgeht. Du bist im Bilde. Kannst das berücksichtigen! Miteinbeziehen in deine Überlegungen, Gedanken und Entscheidungen. Kein aneinander Vorbeireden oder gegeneinander Argumentieren, du hörst einfach nur zu. Selbstverständlich kannst du den/die andere dann auch zu dir „nach Hause“ einladen. Dich zeigen. Damit Ihr beide euch auskennt, ihr beide im Bilde seid. Alle Bedürfnisse und Anliegen berücksichtigen könnt. 

 Ob du damit umgehen kannst? 

Mit dem Gehörten? Mit diesen neuen Erfahrungen? Zwei Worte dazu: Zulassen, ausprobieren.  

Denn in diesen Momenten können sich für Beziehungen zwischen Menschen neue, bisher unbekannte Türen zu ungeahnter Tiefe öffnen. Neu betretene Räume voll Wertschätzung und Geborgenheit. Eine neue Beziehungsebene entsteht. 

Ja und was schaut für dich als Zuhörende/r dabei heraus? Wenn du einfach nur da bist und zuhörst? Bei erster verstandesgemäßer Betrachtung provokant formuliert erst Mal gar nichts.

Nur wenn du dich erwartungslos einlässt, wirst du letztendlich empfangen.

Darin liegt eine gewisse Herausforderung, zugleich jedoch die Chance echter persönlicher Weiterentwicklung. Wie kraftvoll und fein, wenn du den ersten Schritt machst! Wenn du das Geschenk des Hinhörens und Zulassens anbietest und in der passenden Situation einfach passieren lässt. 

Wirklich Zuhören ist eine Form des Handelns. Je mehr du in deiner Kraft bist, umso leichter fällt es dir. Bist du gerade selbst müde, ausgelaugt, genervt, gereizt oder anderswie hungrig nach bestimmten Bedürfnissen, wird es schwer, wenn nicht unmöglich. Dann brauchst du Selbst-Empathie.  Je stärker und innerlich erfüllter du bist, umso einfacher und herzhafter kannst du deine volle Aufmerksamkeit und aufrichtiges Interesse anderen schenken.  

Daher ist es natürlich schön, wenn sich durch den Wechsel zwischen Sprechenden und Zuhörenden über die Zeit eine gewisse Balance einstellt. Wie bei allen Geschenken ist es auch hier: Empathisches Zuhören kann und soll nicht erwartet werden, es passiert einfach oder eben nicht. Diese Form der Leichtigkeit macht es möglich und erzeugt damit ab und an und vielleicht immer öfter magische Lebensmomente. Wie schön, wenn du und wir uns trauen! Wenn du und wir sie einfach zulassen und damit erleben können. 

Wie geht es dir mit dem Zuhören?
Was fällt dir leicht?
Was fällt dir schwer?
Wem und wo möchtest du „besser“ zuhören?

Wenn du magst, kannst du mir schreiben! Ich freue mich darauf!

Herzlichst,
Irmgard

IRMGARD und STEFAN WALLNER

Sich wechselseitig zuhören, beim Sprechen und beim Schreiben.

So ist auch dieser Blogartikel gemeinschaftlich entstanden.

 

 

Foto von Danila Amodeo
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