Auf der Suche

Einfach in sich hineinspüren, wann macht man das schon? Klingt ein bisschen esoterisch angehaucht, leicht unwirklich. Doch ist da eine gewisse Neugierde für das Unbekannte in mir, wie bei einem Entdecker. Ich muss nur in mich selbst eintauchen und danach suchen. Also sehe ich mich um. Spüre ich. Lausche ich. Es ist still. Es ist stumm. Nichts in mir erzeugt eine Verbindung zu meinem Geist im Sinne einer Kreation von Worten. Etwas, das ich einordnen oder zuordnen könnte. Bin ich taub? Es ist einfach nur mein Körper da, wenn ich in mich forsche, mir selbst die Zeit gebe. Ein undefinierbarer Brei, aus dem ich versuche, Einzelnes zu greifen. Nichts. Ich werde ungeduldig mit mir selbst, spiele mit dem Gedanken, mein Experiment abzubrechen und wieder aufzutauchen.

Wieso ist da nichts, das ich klar benennen kann? Wo nicht etwas gedacht werden kann, da kann auch nichts wirklich Wichtiges sein, DENKE ich mir. Und doch, Gefühle gibt es! Niemand würde daran zweifeln oder behaupten NEIN, da ist einfach gar nichts in ihm oder ihr. Der nackte ANGSTschweiß würde mich schnell eines Besseren belehren, wenn ich mich blitzartig in einer lebensbedrohlichen Situation wiederfände.

Ich strenge mich noch mehr an. Wie hilfreich wäre eine Liste mit Gefühlsvokabeln, huscht es durch meinen Kopf. Etwas, an dem ich mich anhalten könnte, das mich inspirieren würde. Da erfasst es mich: ein Gefühl der Traurigkeit. Ja, ich spüre tatsächlich so etwas wie Traurigkeit, weil ich so gerne in Kontakt und in Verbindung mit mir und all meinen innewohnenden Gefühlen wäre, wenn ich Namen für sie hätte. Frust schießt sich dazu ein. Das kann ja nicht sein! Angenehm ist das jetzt nicht. Traurig sein, frustriert sein – fühlt sich nicht wohl an. Aber verständlich. Selbst-verständlich. Wie ich noch so nachfühle, breitet sich eine Welle der Erleichterung in mir aus, weitet sich. Ich lache. Es geht ja doch!

Die Gewissheit, dass da etwas ist

Gefühle sind also sicher da, begleiten mich auf meinem Lebensweg und spielen immer wieder völlig unkontrolliert eine zentrale Rolle. Nämlich dann, wenn sie unüberhörbar, schreiend, treibend in mir und nach außen wirken. Wenn nicht ich die Gefühle habe, sondern sie mich! Sie zeigen sich den anderen in meinem Tonfall, meiner Mimik, meiner Wortwahl und ihrer entsprechenden Lautstärke, von gefährlich leise zu brüllend laut. Wieso kann ich sie bloß so schwer greifen, solange sie nicht toben? Geschweige denn könnte ich sie jemand anderem erklären!

Vielleicht ist ja das NachDENKEN das Problem, der falsche Zugang. Gut oder schlecht. Wohlbefinden im Positiven oder ein Unbehagen im Negativen sind einfache, reduzierte Zusammenfassungen eines komplexen Zustandes in uns. Körperliche Regungen, Bewegungen, Schwingungen. Unser Blut pulsiert mit wechselndem Tempo und Druck durch unsere inneren Leitungen, unser Atem fiebert hechelnd mit, hält gespannt die Luft an oder entspannt sich tief. Einatmen. Ausatmen. Atempause. Unser Muskeltonus, entspannt, schlaff, straff oder angespannt, wirkt in uns und auf uns, wie unsere Hormone ihre Stücke spielen gemeinsam mit Texten und Bildern aus unseren persönlichen geistigen Vorstellungen und Urteilen aus unserem Verstand. Alles fließt. Sprudelt einem fort. Leben eben.

Unser Menschsein zeichnet sich durch viele unbemerkte und nicht bewusst angestoßene Aktionen in uns aus. Unser Bewusstsein erhascht nur in gewissen Momenten Einblicke in uns, wie durch ein kleines Fenster. Alles andere liegt von uns unbeeinflusst und unbewusst in unserem automatisch funktionierenden Organismus. Und manchmal sprengen alte, verdrängte und unterdrückte Emotionen einfach die Tür. Spülen sich ins Bewusstsein, nehmen sich Raum. Was, wenn wir öfter Balken und Fenster öffnen, kräftig lüften und in uns schauen würden? Staunen würden, was sich da alles tut und regt.

Was wollen uns unsere Gefühle sagen

Was wollen uns also unsere Gefühle sagen, wenn sie den Weg in unser Bewusstsein finden? Ist es wie bei Schmerzen? Hallo, Körper an Gehirn, da gibt es ein Thema, das eine bewusste Handlung braucht, speziell im Austausch mit unserer Umwelt womöglich?

Stell dir vor, du bist in einem fremden Land, dessen Sprache du nicht sprichst. Ein Einheimischer teilt dir etwas mir, während du rätselst, was er dir sagen will. Angestrengt versuchst du, Worte und Sinn zu erfassen, er redet und redet und gestikuliert. Mit großen Augen stehst du da und verstehst kein Wort. Es scheint wichtig zu sein, denn sein Ton wird eindringlicher. So sehr du dich auch bemühst, kopfschüttelnd und achselzuckend gibst du ihm zu verstehen, dass du rein gar nichts verstehst. Da nimmt er dich an der Hand und zeigt dir, worum es ihm geht.

Was, wenn du deine Gefühle nicht spürst, nicht hörst, nicht wahrnimmst? Wenn sie erst zart an deine innere Tür klopfen, sich rühren und regen, heftiger und stärker werden, dich anstoßen. Doch du verstehst kein Wort. Bis sie so deutlich werden und dich an der Hand nehmen und zu Handlungen bringen, zwingen. Versuchst du, sie zu verdrängen, werden sie, wie Schmerzen, quälender und lauter. Dein Körper benötigt die Aufmerksamkeit deines Geistes, um eine Veränderung im Sinne deines eigenen Interesses einzuleiten.
In Notsituationen springen Gefühle in Verbindung mit gewaltigen Hormonausschüttungen sofort an. Dein Bewusstsein wird nicht gefragt, der Mechanismus ist aus einem Überlebenstrieb heraus präzise automatisiert. Sicher ist sicher. Es gibt aber auch weniger kritische Szenarien, in denen dein Geist Gefühle und die damit verbunden körperlichen Regungen als eine Art von innerem Schutz nutzt.

Unser Körper tritt durch Gefühle mit uns und unserem Bewusstsein in Kontakt. Die Gefühle sind dabei also das „Transportmittel“, mit dem etwas an uns herangetragen wird, nicht der Anlass selbst. Sie sind das Hinweisschild auf etwas Bestimmtes.
Gefühle zeigen sich in unserem Bewusstsein, wenn es aus uns selbst heraus Sinn macht. Stumm, solange wir ihnen keine Sprache, keine Stimme, keine Worte geben. Trotzdem nachhaltig. Das merkst du, wenn du gewisse Gefühle unterdrücken möchtest, sie aus deinem Bewusstsein stemmst und schiebst. In den Keller des Vergessens sperrst. Auch wenn du versuchst, sie zu verdrängen. So sind sie immer noch da. Lauern auf ihre Gelegenheit, sich dir zu präsentieren. Weil sie, ihrem Sinn entsprechend, von dir wahr- und ernst genommen werden wollen! Weil sie dich auf für dich ganz Wesentliches aufmerksam machen wollen – auf deine persönlichen WERTE und Bedürfnisse!

Im Meer der Gefühle – mit dir selbst in Kontakt kommen

Da stellt sich dann die Frage, wieso wir nicht mit uns selbst in Kontakt kommen wollen? Wieso wir nicht auf unsere eigenen Gefühle bewusst reagieren, mit ihnen kommunizieren? Wenn das doch etwas zutiefst Natürliches, in uns Wohnendes ist.

Fühlen ist ja schließlich einer unserer Sinne – eine Form der Wahrnehmung. Berührt etwas Weiches oder Spitzes deine Haut, reagierst du. Entweder hältst du inne und genießt es oder bewegst dich weg, meidest den weiteren Kontakt. In keiner Weise stellst du diese Aktion in Frage. Gefühle sind Impulse, die aus dir heraus mit dir in Kontakt treten (wollen), dich berühren, aber eben von innen. Diese Gefühle wollen dir nie schaden!
„Sei nicht traurig.“ „Du brauchst keine Angst haben.“ „Reg dich nicht auf.“ „Indianer spüren keinen Schmerz.“ „Sei nicht so empfindlich.“ Die persönliche Entwicklung und Erziehung hat ihnen ein negatives Image verpasst, hat uns trainiert, sie zu verstecken! Darum können wir ihren Nutzen gar nicht richtig deuten! Wir haben weder gelernt noch geübt, uns selbst wahrzunehmen, in uns zu lauschen, uns selbst zu begreifen und zu verstehen.

Was zur Folge hat, dass aktuell situative Gefühle häufig in Verbindung mit Gedankenmustern und Erfahrungen aus unserem vergangenen Leben entstehen, die so in unserer Gegenwart einfach so gar nicht passen. Hier gar nichts zu Suchen hätten! Speziell Automatismen haben immer viele Gefühlsimpulse in sich integriert. Schon tauchen sie auf. Ergreifen Besitz von dir und deinen Handlungen. Jetzt hat ihre Stunde geschlagen, ist ihre Chance gekommen, jetzt können sie dich retten, vor schon (mindestens) einmal erlittenen Schaden bewahren! Vom Zurückziehen und Schweigen bis zu hammerharten Angriffen – auf der Palette der Handlungsmöglichkeiten liegt intuitiv das scheinbar einzig richtige Verhalten griffbereit. So wiederholst du, was du kennst und kannst. Wie oft schon hat dich das wie eine Strömung fortgetrieben von dem, was du eigentlich erreichen wolltest?

Willst du das verändern, brauchst du Zeit, musst es öfter bewusst in die Hand nehmen und unter der Lupe betrachten. Wenn du genau schaust, kannst du bestehende Gefühls-Gedankenketten identifizieren, sie behutsam auftrennen und neu verknüpfen. Manche Knoten lösen sich so umgehend in Luft auf, andere Verkettungen benötigen wiederholten, mit sich selbst ehrlichen Austausch, um Stück für Stück ein neues, ein stimmiges, ein selbst-sicheres Gerüst zu bauen. Wo zieht es dich hin? Wonach sehnst du dich? Wovon möchtest du mehr in dein Leben bringen? In aller Ruhe kannst du dir das ansehen und dir selbst erklären, was sich jetzt verändert hat. Warum bestimmte Gefühlsimpulse nicht mehr passen, wie du sie künftig wahrnimmst, wenn sie bei dir anläuten, ihnen dankst und sie ziehen lässt. Wähle und bestimme, welche für dein jetziges Leben dienlicher und somit besser sind. Melden sich beispielsweise Ängste? Weisen sie dich auf wichtige SICHERHEIT hin? Ja, danke! Bist du dir selbst sicher, kannst du ihnen wertschätzend begegnen und sie weiter ziehen lassen. So losgelöst und frei, wie du nun bist, kannst du bestimmen, wohin dein (Lebens-)Weg führt. Vielleicht ist es die FREIHEIT, die nach dir ruft? Womöglich ist es das Wagnis von GEMEINSCHAFT und NÄHE? Was ist es für dich? Wohin traust du dich?

Unterscheide „Fühlen im Hier und Jetzt“ von Gefühlen aus der Vergangenheit in Verbindung zu gemachten Erfahrungen. Fühlen ist authentisch, ist das, was aktuell in dir in der Gegenwart stattfindet und ist damit, wenn bewusst, immer neu erlebbar. Das können deine Basis und dein Antrieb für gewünschte und beabsichtigte Veränderung sein! Bewusst webst du mit dem gegenwartsbezogenen „Fühlen“ Moment für Moment deinen persönlichen bunten Teppich abgespeicherter „Gefühle“. Ein wunderbarer Boden für neue Handlungen, dienliches Verhalten in deinem neuen Sinne!

Wie ist das jetzt mit dem Zeigen von Gefühlen nach außen?

Wie kannst du das? Willst du das überhaupt? Welchen Sinn hätte das? Mit Gefühle zeigen, ist nicht der explosive Wutausbruch gemeint, soviel sei gleich vorweggenommen. Nein, es gibt eine große Zahl von Gefühlsnuancen die, wenn richtig vermittelt, eine wichtige Botschaft für das Umfeld sein können.

Nachrichten übermitteln, mit Gefühl. Heikles auf den Tisch bringen, mit Gefühl. Wünsche aussprechen, mit Gefühl. Entscheidungen treffen, mit Gefühl. Reichen dazu einzelne Worte oder braucht es mehr?
Sind Worte, jene Gebilde, die im Kopf und in Gedanken formuliert werden, allein der passende Transporteur innerlicher gefärbter Gefühlsregungen? Oder ist mit-Gefühl Übermitteltes ein Gesamtbild aus Mimik, Gestik, Körperhaltung, übereinstimmenden Tonfall und den entsprechenden Worten?

Worte dafür zu haben, macht es leichter, dich verständlich auszudrücken, dich so zu zeigen, wie du bist! Je größer dein Wortschatz umso treffender kannst zu wählen! Umso klarer dich zeigen!

Wieso verwende ich eigentlich Gefühlsworte so selten, meldet sich in mir die Frage. Speziell, wenn es um positive, angenehme Gefühlsregungen geht? Ich habe es nie kultiviert, wurde nie dazu animiert. Keine wirklichen Gründe, die mich jetzt daran hindern würden, damit zu beginnen.
Wie kann ich mich üben? Zuerst einmal nur in mir selbst. Was ist da gerade da? Ich suche nach beschreibenden Worten, baue langsam daraus Sätze, öffne die Türe nach außen. Soll ich Gedanken und Erfahrungen, die dabei eine Rolle spielen, auch mitzeigen? Vergleichbare Situationen aus meiner Vergangenheit schildern, die mit diesem Gefühl, das gerade da ist, in Verbindung stehen? Als Form der Erklärung? Um dann erst weiterzuschauen, was sich dadurch ergibt und ob es dazu in der gegenwärtigen Situation und für die Zukunft etwas braucht. Es bietet die Chance auf vertieftes Verständnis.

Der gewählte Augenblick fürs Vermitteln muss passen – das gibt der aktuelle Moment natürlich nicht immer her – warum aber nicht ein späterer? Was kannst du gewinnen, wenn du deine Gefühle in gewissen Lebenslagen deinen Mitmenschen näher bringst? Echtes Mitgefühl, wirkliches Verständnis, berührenden Kontakt, nährende Verbindung, WERTvolle Erkenntnisse.

Vielleicht ist es umgekehrt nicht immer möglich, die Gefühle anderer Menschen nachzuvollziehen? Wer nur in der eigenen Welt lebt, sein Haus nicht verlässt, tut sich schwer! Auch, wer keine Worte für sich selbst hat, kann kaum be-greifen. Wie soll man etwas mitempfinden, das man selbst noch nicht gespürt hat? Es könnte jedoch sein, dass der bloße Versuch schon geschätzt und gewürdigt wird, als Zeichen von Anteilnahme an einem gemeinsamen Leben und Ausdruck von Interesse am anderen. Womöglich ist das ein erster Schritt zu einer gemeinsamen Erkundungsreise. Oft geht es im Alltagsleben nur um Resultate und Ergebnisse, aber hier, in dieser ungewohnten Situation, ist das reine BeMÜHEN durchaus schon ein WERT, der dir entgegengebracht wird, wenn dein Gegenüber den Versuch startet, sich öffnet und zeigt und über seine Gefühle spricht.

Ich beginne also meinen Wortschatz speziell betreffend der Verwendung von positiven Gefühlen zu trainieren. Übung macht nicht gleich den Meister aber die Sache leichter. Mich besser mit-TEILEN, zeitnaher austauschen, entspannt mich dann auch. Ich höre auf meine Gefühle und damit entsteht auch wieder Ruhe in mir. Ich leite ein mit: „Du ich fühle…“„ oder: „Mein Gefühl sagt mir…“, oder: „Ja, das … ist jetzt in mir Platz greifend“ und werde damit auch immer besser gehört und letztendlich auch verstanden. Ich werde klarer als der, der ich wirklich bin, WAHRgenommen.

 

Stefan und Irmgard Wallner – Foto von Danila Amodeo

„Wie fühlst du dich mit diesem Blogartikel?“, frage ich Stefan, jetzt zum Abschluss.
Stefan grinst und schnappt sich unseren Sprache-Verbindet-Gefühlskarten-Prototypen. Konzentriert und aufmerksam schaut er die einzelnen Karten durch: „Ich fühle mich zum einen bereichert, weil das interessant war, das Thema anzugehen. Ich bin angetan, was da als Produkt herausgekommen ist. Überzeugt von dem, was wir hier geschrieben haben. Ich bin zufrieden mit dem, was wir gemacht haben . Ich bin gespannt und erwartungsvoll, welches Feedback es dazu gibt. Ich bin motiviert, dass wir da weitermachen. Ich bin dankbar für das, was du jetzt gemacht hast daraus.“

Ich, Irmgard, bin glücklich und dankbar und voll weiterem (Schreib-)Tatendrang. Für mich erfüllen sich LIEBE und SINN! Wie Stefan bin ich gespannt und neugierig auf dein Feedback. Wenn du magst, kannst du uns hier schreiben. Wir freuen uns, von dir zu lesen!