Manchmal schwelt Unausgesprochenes in der Beziehungsluft, immer stickiger wird es, während man fest auf der dick gepolsterten Couch sitzt und gebannt der Show des eigenen Kopfkinos folgt. Inklusiver aller Extraeinlagen! Eh klar, dass … Warum nur kann er/sie nicht einmal … Er/Sie müsste doch sehen, dass … Wie kann er/sie nur … schon wieder … Er/Sie könnte ja was sagen! Was sich hinter der Leinwand abspielt, wird schemenhaft als Auslöser wahrgenommen, treibt die Intensität weiterer bewegender Geschichten, die man sich selbst dazu erzählt, an. Jene Geschichten, die man bei der nächsten Gelegenheit der besten Freundin oder dem besten Freund klagt! Denn wenn man zu Hause was sagt, wird man ja eh nicht richtig verstanden. Weder vom Partner, noch von den Kindern, noch von anderen Beteiligten! Für manche ist das normal. Fixer Bestandteil partnerschaftlichen Alltags.

Nach und nach gesellt sich ein für sich selbst wichtiges Thema zum anderen, sammelt sich mit den anderen bereits abgelegten im eigenen Kopf, der Rückstau wird immer größer, wird zur monströsen, scheinbar unüberwindbaren Hürde fürs Ansprechen. Außerdem gibt es doch ständig Dringendes! Andere Probleme, andere Belange, andere Aufgaben. Ein bunter Themenmix vielfältiger Angelegenheiten anderer, wie die der Kinder, die der Eltern, berufliche, nachbarschaftliche oder freundschaftliche Betreffe, auch gesellschaftlich tut sich so viel, all das wird alltäglich mitgeschleppt, durchgeackert und besprochen! Erst einmal das Dringende loswerden! Über die Dinge reden! Über alles, das rot blinkt und akut scheint. Alles, egal, wie banal es letztendlich ist, bekommt Vorrang. Ist auch irgendwie gefahrloser. Man muss ja nicht selbst auch noch Baustellen eröffnen, wenn eh schon so viel zu denken und zu tun ist.

So wandern die eigenen, die WESENtlichen Themen in der Besprechungsagenda auf den letzten Rang, gehen schließlich unter, werden vergessen. Keine Zeit mehr. Keine Energie.
Bis der innere Druck ins Unerträgliche gestiegen und die Luft zum Schneiden dick geworden ist. In der Not hilft dann nur eines: sich Luft machen, Luft schaffen. Wie bei einem reinigenden Gewitter platzt schwallartig alles heraus, vorwurfsvoll, meist angreifend und schuldzuweisend.

Die andere Art des Ansprechens

Dieses Ansprechen erweist sich als zentrales Thema. Sogar, wenn du dich schon eingehend mit dir selbst beschäftigt hast, deine eigenen Gefühle und Bedürfnisse benennen kannst, weißt, was du brauchst und auch was du selbst dafür tun kannst! Doch deshalb ist die Botschaft noch nicht nach außen gedrungen. Nein, dein/e Partner/in sieht nicht, was in dir drin ist! Wie auch?

Dass da was ist, ja. Doch was? Das kann man vermuten, erahnen, mit viel Bemühen richtig interpretieren oder vollkommen falsch daneben liegen. Dabei wäre doch unser/e Partner/in die wichtigste Ansprechperson für diese zutiefst persönlichen Anliegen.
Schwierig? Schwer? Wie beginnen? Noch dazu, wenn Ängste im Raum stehen, wie: Wenn ich jetzt von Bedürfnissen und Gefühlen spreche, klingt das so gekünstelt, nicht normal, so wie ich sonst spreche.“

Natürlich versus normal

Ja. Das stimmt. Es ist nicht wie sonst! Es ist nicht die Norm!
In unserer Gesellschaft ist es die Norm, ist es also normal, über etwas zu sprechen: häufig über andere, oft über Probleme, schon seltener über Lösungen und Ideen. Über Themen, die uns nichts angehen, über Dinge, die wir nicht in der Hand haben, dafür fleißig diskutieren. Über Meinungen und Meinungsunterschiede. Wer wie denkt. Wer wie ist.
Es ist nicht normal, ausführlich von UNS zu sprechen und zu erklären was UNS wichtig ist und warum.

Das ist wie in der Geschichte mit dem Adlerjungen, das unter Hühnern aufwächst und täglich seine Körner pickt. Normal. Wie alle anderen es eben tun! Für den jungen Adler ist das zwar normal, jedoch keineswegs natürlich! Treibt ihn sein Inneres irgendwann in die Lüfte, kommen ihm die ersten Flugversuche sicher auch andersartig vor. Sind sie auch! Anders als sonst!

Das ist nicht normal. Das ist natürlich, wenn du von dir sprichst und dem, was natürlicherweise in dir ist! Egal wie es klingt, was du zu sagen hast, ist eine sehr gehaltvolle Botschaft. Eine WERTvolle Mit-teilung. Ja, dafür brauchst du andere Worte. Andere Formulierungen. Etwas ist anders, das fällt auf und plötzlich entsteht Aufmerksamkeit bei deinem Gesprächspartner. Absichtlich. Gewollt. Denn du hast kaum etwas Wichtigeres mitzuteilen, als deine persönliche Innensicht!

Partnerschaftliche, wertvolle Kommunikation

Übst du dich darin, zeigst du deinem Partner/in auch, dass er/sie wichtig ist in deinem Leben. Du vertraust dich an. Legst all das Wertvolle in dir, deine Werte und Bedürfnisse, offen. Eine hohe Form der Wertschätzung. Eine besondere Form der Nähe. Innigkeit erwächst, wenn Ihr Euch beide Euer Innerstes zeigt.
„Ich mag dir gerne was zeigen. Ich mag dir gerne erzählen, was mich beschäftigt. Wie ich mich damit fühle. Was mir wichtig ist. Wonach ich mich sehne. Was ich mehr oder anders brauchen würde. Ich mag mich dir zeigen, damit du im Bilde bist, mich verstehst, mich siehst, wie ich gerade bin.“
Das braucht Überwindung? Mut? Anfangs möglicherweise. Bis aus Neuem Gewohntes wird, weil es lange genug häufig genug erfolgt.

Diese Gespräche sind natürlich mit einer behutsamen Einladung an unseren Partner versehen, im Sinne von: „Magst du mir auch zeigen, was dich bewegt und erklären was für dich wichtig ist und welche Bedürfnisse bei dir gerade im Vordergrund stehen?“ Dabei geht es weder um Lösungen, Entscheidungen oder darum, sofort aktiv zu werden und etwas Bestimmtes zu tun.

Das hingebungsvolle Zuhören in aller Ruhe ist bereits das Tun.
Bewusstes, aufMERKsames Zuhören ist eine Form des Handelns.

Sich aufeinander einlassen, miteinander in Kontakt sein, sich wechselseitig hören, alles ansprechen können und sich dabei in Sicherheit fühlen, weil Verständnis füreinander da ist, sind wunderbare, tragfähige Elemente der Liebe zwischen zwei Menschen.
Liebevolle Partnerschaft ist das Gegenteil einer bloß zweckorientierten Interessensgemeinschaft, die keine Zeit füreinander findet aus tausend Gründen im Außen. Sie wächst aus der Freude und der Sehnsucht nach dem anderen und der Verlässlichkeit eines zweiten Menschen, der zu einem steht, wie man selbst!

Zu mir oder zu dir?

Was vielleicht zuerst gekünstelt, weil nicht normal, wirkt, kann Schritt für Schritt zu einer ganz eigenen gemeinsamen Sprache werden. Als natürlicher, sinnvoller Baustein des gemeinsamen Lebens. Sobald es nicht mehr ungewöhnlich ist, sich zu zeigen, fällt es auch leicht, verbunden zu bleiben und den Partner am Laufenden zu halten. Wie einfach das alltägliche Leben läuft, wenn keine Vermutungen zu unterschiedlichen Themen konstruiert werden, sondern wenn beide aus erster Hand wissen, was Sache ist und warum. Im Austausch hat jede/r vom anderen die Kostbarkeiten, Wünsche und Sehnsüchte einmal oder mehrfach vorsichtig in Händen gehalten. Begriffen. Berührt.

Dieses wechselseitige Wissen bedeutet auch, dass du und Ihr es mit Euch trägt. Alltäglich. Dass Ihr dessen gewahr seid, es berücksichtigen könnt oder einfach aus Liebe ein Bedürfnisgeschenk macht. Welch nährende Kostbarkeit, die gesehen und sicherlich ganz stark wahrgenommen wird als eine zutiefst herzerfrischende Zutat im gemeinsamen Zusammenleben. Dabei entsteht viel Wertschätzung, speziell dann, wenn für beide die Balance erkennbar ist, auf der sie begründet ist. Ein sorgsames und aufmerksames Geben und Nehmen, das fließt, das gleitet, das sowohl als auch herzvolle Freude bereitet.

Gemeinsame Bedürfnisse

Als nächsten Schritt lohnt es sich, auch auf gemeinsame Bedürfnisse zu schauen, auf das, was Euch gemeinsam wichtig und wert ist: für Eure Beziehung, Euer Leben und Euch. Was gibt es Stärkeres, als gemeinsame Entscheidungen auf Basis Euch bewusster Bedürfnisse und wertschätzender Gespräche zu treffen? Klare absichtsvolle Bilder mit Plänen, wie Ihr Euren Weg hin zu Euren gemeinsamen Bedürfnissen beschreiten wollt, niedergeschrieben und zuhause gut sichtbar platziert zur Erinnerung gibt den richtigen Zug, der Vieles zu Erreichen vermag.

Nicht alles muss sofort passieren, manches geht nur in kleinen Schritten, braucht Zeit. Wichtig ist es, dass Ihr überhaupt auf Eurem, nur Eurem zutiefst persönlichen Weg seid. Dabei ist es hilfreich, wenn Ihr Euch regelmäßig die Zeit zum Reflektieren nehmt. Feiert, was Ihr bereits geschafft habt, gemeinsam überlegt, was Ihr vielleicht anders umsetzen wollt. Das gibt speziell in schwierigen Zeiten ein gutes Gefühl, nämlich nicht alleine zu sein, sondern Hand in Hand, sich gegenseitig stärkend, den Lebensweg gemeinsam zu beschreiten.

Herzlichst,
Irmgard und Stefan

Stefan und Irmgard Wallner – Beitragsfoto und Autorenfoto: Danila Amodeo

 

Wir genießen unsern gemeinsamen Austausch in der beschriebenen Art, so entstehen auch unserer gemeinsamen Blogartikel wie dieser hier.
In diesem Sinne wünschen wir Euch von Herzen nährende, wohltuende Begegnungen und Gespräche!