Manners matter, bringt die englische Sprache auf den Punkt. Manieren zählen. Was soll das jetzt plötzlich? Haben wir das Thema nicht längst erfolgreich hinter uns gelassen? Diese altmodischen Benimmkurse, die nur einem unpersönlichen äußeren Verhaltenskodex dienten? Nein, das brauchen wir nicht mehr! Sondern wir machen alles selbst und so, wie wir es wollen.
Aber wird da nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet? Ist die heutige Position nicht genauso radikal, nur diametral in die andere Richtung weisend?
Leider werden Manieren oft als altmodisch oder unnötig angesehen. Dabei sind sie zeitlos und für jeden von uns wichtig. Warum? Weil sie sich positiv auf uns selbst und auf unsere Mitmenschen auswirken. Respektvolle Umgangsformen sind eine Sprache, die jeder versteht.
Manieren in den Zeiten
Früher war der Umgang miteinander höflich, so wie man sich am Hof, dem Sitz der Herrschaft, zu benehmen hatte. Ein strenges, steifes Korsett, das die Gesellschaft in Form und jeden Menschen entsprechend seiner Herkunft an seinem Platz hielt. Die persönliche Freiheit einschnürend. Entwicklung behindernd. Die 60er und 70er Jahre brachten den persönlichen Befreiungsschlag. Nach und nach legte einer nach dem anderen alles Alte, Anerzogene ab, schälte sich heraus, beutelte es ab. Schluss mit der Zeit der Zwänge! Aufbruch in eine neue Zeit! Alles ist möglich!
Dieser innere Wandel zeigte sich auch in einem veränderten Verhalten.
Von Frauen und Männern
Darf ein Mann einer Frau ein Kompliment machen? Ist es einer Frau erlaubt, einem Mann herzliche Worte zu schenken? Darfst du – wem auch immer – sagen, was du wahrgenommen hast? Was dir an ihm oder ihr positiv und schätzenswert aufgefallen ist?
Folgende Szene ließ uns mit ungläubigen Blicken zurück. Ein Range Rover fuhr vor und hielt an. Eine junge Frau öffnete die hintere rechte Tür. Ihr gleichaltriger Begleiter stieg lässig ein, während sie auf ihren hohen Absätzen mit kleinen Schritten um das Heck des Wagens stöckelte, um die linke Tür für sich zu öffnen. Gerade hatte sie es eilig geschafft, sich in den Wagen zu hieven. Die Tür stand noch offen, ihr linkes Bein hing noch heraus, als der Fahrer wieder anfuhr. Um noch einmal kurz zu bremsen, bis sie ihr Bein ins Wageninnere gezogen und ihre Seite geschlossen hatte. Mannes matter? Wäre schön!
Im Ringen und Kämpfen um Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung wurde jede Form von Höflichkeit als altmodisch verpönt abgeschüttelt. Als Mann der Frau die Tür zu öffnen, ihr in den Mantel zu helfen, ihr den Vortritt zu lassen, und andere Gesten des respektvollen Miteinanders mussten der sachlichen Gleichbehandlung weichen. Keine Unterschiede! Jede Nuance muss weggehobelt, alles gleich gemacht werden. Gleichwertigkeit hat nichts mit Gleichmachen zu tun!
Vom Schreiben
Wie sah ein Brief, ein Schriftstück früher aus und wie heute? Angefangen von der Qualität des Papiers, über die Tinte und die schönen, wohlgeformten Rundungen der Schrift, bis hin zur Wortwahl und den wohlüberlegten Formulierungen. Man nahm sich bewusst Zeit.
Heute völlig undenkbar. Statt Ansichtskarten gibt es Selfies via WhatsApp ohne vollständige Worte. LGs und GLGs werden verschickt. Mit OMG (Oh mein Gott) kommentiert man Peinliches oder Skandalöses. Das Handy schlägt Antworten vor, ab einem gewissen Alter werden keine ganzen Wörter mehr verwendet. LOL (laughing out loud, was so viel bedeutet wie: Ich lache mich kaputt!), wer braucht noch das Verstaubte, das Alte? Heute muss es ASAP(as soon as possible) gehen: schnell, einfach und zeitsparend.
Vom Managen
ASAP. Es geht darum, Dinge und Menschen zu managen! Stressmanagement, Zeitmanagement, sich selbst managen, man muss ja funktionieren, sonst funktioniert ja nichts! Die Kinder und die Schulzeit managen. Schwierige Mitarbeiter managen, als ob es nicht schon schwer genug wäre! Was mit dem kranken Opa passiert, muss auch organisiert werden. Wie die Dinge werden auch die Menschen geregelt, verwaltet und entsprechend behandelt. Sachlich eben.
Aber Stopp! Halt! Wir sind keine Sache! Du bist keine Sache! Ich bin keine Sache! Niemand möchte einer Sache gleich behandelt werden!
Wir sind weder Dinge, die in Ordnung gebracht werden müssen, noch sind wir gleich! Wir sind einzigartig, jede und jeder für sich! Wir sind bunt! Wir haben so viele Gaben, Fähigkeiten, Kenntnisse, Besonderheiten! Wir sind nicht in Stein gemeißelt, wir sind noch nicht tot! Wir sind lebendig! Wir sind wandlungsfähig! Du kannst dich abwenden oder entgegenkommen. Du kannst Türen verschließen oder öffnen. Du kannst entscheiden, wie du dich verhältst, wie du anderen begegnest und wie du leben willst!
Was bleibt?
Im Laufe der Zeit haben sich die Vorstellungen und damit auch die Gewohnheiten der Menschen verändert. Wenn alles abgeschafft ist und nichts mehr gilt, wie es war, was bleibt dann? Sind es – architektonisch gesehen – nur die immer gleichen, austauschbaren Glas- und Betonbauten, weit entfernt von jener Welt, in der Giebel, Gesimse, Ornamente, Säulen und Stuckverzierungen noch den Unterschied, die Einzigartigkeit einer Fassade ausgemacht haben? Wieso also nicht anders agieren, nach deiner eigenen Fasson? Und damit wieder als Individuum erkennbar werden?
Persönliche Würde
Vieles war und ist im Erneuerungsprozess gut gemeint, aber da es kaum noch Grenzen gibt, wird naturgemäß auch oft über das Ziel hinausgeschossen.
Die Würde des anderen nicht zu verletzen, wird nicht mehr als wichtiger Grundsatz des Zusammenlebens gesehen.
Was macht die persönliche Würde aus? Was, wenn dir Höflichkeit wichtig ist? Wenn du darin ein Zeichen der Wertschätzung für den anderen siehst und dich auch darüber freust, wenn du selbst diese Form der Wertschätzung erfährst? Gibt es also Elemente in der alten Form des Umgangs miteinander, die das Zusammenleben heute fördern und angenehmer(er) machen würden? Die schätzenswert wären?
Was macht es mit dir, wenn du höflich und zuvorkommend behandelt wirst? Wenn man würdevoll und überlegt mit dir spricht?
Wie kannst du den berühmten Unterschied machen, so dass er auch als solcher wahrgenommen und so verstanden wird, wie er gemeint ist?
Was, wenn wir die alten Manieren wieder aus dem Schrank kramen, den Staub abklopfen und sie neu betrachten?
Was sind Manieren?
Das Wort Manieren leitet sich vom lateinischen manus, der Hand, ab. Es geht dabei um die Art und Weise, wie etwas gehandhabt wird, um die charakteristische Art und Weise, wie jemand handelt. Es bezieht sich auf das Verhalten, das mit dieser Person verbunden ist.
Manieren sind ein wichtiger Teil jeder Kultur. Es ist die Art und Weise, wie Menschen miteinander umgehen, wie „man“ sich zu benehmen pflegt. Wie man es gewohnheitsmäßig hand-habt. Was in dieser Kultur die Norm und üblich ist. Da gibt es große Unterschiede, die sich in vielen kleinen Dingen zeigen. Verschiedenheiten, auch wenn letztlich alle mit Wasser kochen.
Auch unsere Sprache ist eine Manier. Sprechen und Zuhören sind Formen des Handelns. Sich ausdrücken bedeutet, Inneres wie Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse nach außen zu transportieren, sichtbar zu machen. Es gibt verschiedene Manieren, sich zu zeigen. Destruktiv oder konstruktiv. Wahllos oder gewählt. Bewertend, abwertend oder wertschätzend. Auch beim Zuhören gibt es unterschiedliche Arten. Ob man mit halbem Ohr oder gar nicht zuhört oder ob man sich interessiert und aufmerksam dem anderen zuwendet.
Somit sind Manieren etwas sehr Persönliches! Wie jeder Mensch mit jeder Handlung, die er setzt, nach außen zum Ausdruck bringt, was ihm wichtig und von Wert ist. Je nach seiner Fasson kann das für andere schwer verdaulich oder sehr bekömmlich sein. Es kann abstoßend und trennend wirken oder einladend und verbindend.
Manieren zeigen, wie du dich selbst und andere be-hand-elst!
Jeder Mensch hat Manieren. Es geht also nicht darum, ob man Manieren hat oder nicht, sondern welche man sich zur Gewohnheit macht. Die Motivation entspringt somit nicht mehr bedingungslosem Gehorsam und starrer Folgsamkeit. Sie manifestiert sich nicht mehr in einem blinden, verblendeten, formalen „Das muss man so machen“, sonst wird man bestraft. Es geht nicht um falsche Höflichkeit, sondern um wirklich gelebten Respekt. Aufrichtiges, wohlwollendes Verhalten ist selbstbestimmter, authentischer Ausdruck innerer Werte! Du allein entscheidest, wie du deine Werte lebst!
Gute Umgangsformen sind eine Sprache, die jeder versteht. Als wesentlicher Bestandteil der Kommunikation helfen sie dir, deine Gedanken, Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche zu vermitteln. Sie sind ein Ausdruck der Wertschätzung für andere und wirken sich wohltuend auf dich selbst und auf die Menschen in deiner Umgebung aus.
Sie sind auch eine Form der Selbstbeherrschung. Wenn du dich beherrschst, kannst du mit deinen Gefühlen bewusst umgehen und dein Handeln besser steuern. Du kannst dich besser konzentrieren und deine Aufmerksamkeit auf die Dinge richten, die dir wirklich wichtig sind.
Höflichkeit ist keine erwartete Selbstverständlichkeit, sondern eine unerwartete Anerkennung der anderen Person, die du vermitteln möchtest. Damit entsteht automatisch ein positiveres Umfeld. Anderen Menschen bewusst begegnen, sie herzlich begrüßen, freundlich bitten, sich bedanken, weil es DIR wichtig ist! Anderen Raum geben, ihnen interessiert und aufmerksam zuhören, weil es DIR wichtig ist! Sie ausreden lassen, auch wenn du eine andere Meinung vertrittst, sie ernsthaft verstehen wollen, weil es DIR wichtig ist, sie zu verstehen! Ruhig, klar und ehrlich von dir sprechen, damit andere dich gut verstehen können. Weil DIR das wichtig ist. Bei Bedarf zeigst du freundlich deine Grenzen. Weil dir Respekt wertvoll ist, machst du respektvoll und nicht minder beharrlich klar, was du bereit bist zu tun und was nicht. Du schaffst damit ein Umfeld, das andere zum Mitmachen und Mitdenken anregt!
So kannst du etwas bewirken! So kann jeder einen Unterschied machen. So kannst du und jeder andere etwas tun, um Situationen zu verbessern und eine angenehmere Umgebung zu schaffen.
💛 Welche Rolle spielen Manieren und Höflichkeit in deinem täglichen Leben und wie beurteilst du ihren Wert?
💛 Welche schätzt du besonders?
💛 In welchen Bereichen deines Lebens könntest du dir mehr Zeit nehmen, um überlegter und bewusster zu handeln.
Wenn du magst, kannst du uns in die Kommentare schreiben. Wir freuen uns, von dir zu lesen.
Herzlichst,
Irmgard und Stefan

Stefan und Irmgard Wallner – Foto von www.danilamodeo.com
Mela! Wir sind also Irmgard und Stefan. Mit Mela leiten die Malteser so ziemlich jeden zweiten Satz ein, was zwar nicht viel heißt, und am ehesten dem englischen „so“ entspricht, das als Start- und Füllwort dient. Mela! Da wir die Malteser so auffallend respektvoll und herzlich erleben, wurde Mela unser Erinnerungcodewort für heikle Situationen. Und das Wichtigste ist doch das Bewusstein, das sich erinnern! Dann fällt alles Weitere wesentlich leichter.
Beitragsfoto von Kaspars Grinvalds
Vielen Dank für diesen wunderbaren Artikel !
Alles Liebe und Gute Euch beiden !
Waltraud
Liebe Waltraud,
vielen lieben Dank für dein Feedback!
Alles Liebe
Irmgard
Lesenswert und informativ ganz lieb, liebe Irmgard
Vielen lieben Dank für dein Feedback, liebe Bärbel!
Herzliche Grüße an Euch
Irmgard
Liebe Irmgard!
Danke wieder einmal für deine, immer wieder interessanten, Gedanken die du dankenswerterweise veröffenlichst!!!
Einen herzlichen Gruß aus Gleisdorf – Alexander
Lieber Alexander,
herzlichen Dank für dein Feedback und deine lieben Worte!
Ich schick dir ganz herzliche Grüße in die Steiermark und wünsche dir und deiner Familie alles Liebe und Gute!
Irmgard
Gerne möchte ich ein persönliches Schlüsselerlebnis zum Thema Manieren teilen. Als Kind eines bürgerlichen Hauses, wurden mit Manieren als geschuldetes Verhalten vermittelt. Ich hatte vor Älteren einen Knicks zu machen und brav die Hand zu geben, ungeachtet meiner Impulse oder Gefühle. Ich erlebte Manieren als ein Korsett das man trug, damit man als Angehöriger einer gewissen Gesellschaftsschicht identifizierbar war. Zudem erlebte ich „höfliches“ Verhalten auch als etwas das Distanz schaffen sollte. Es fühlte sich oft hohl oder künstlich an. Als Erwachsense versuchte ich die gesellschaftlichen Zwänge abzulegen.
Vor einigen Jahren hatte ich eine kurze Begegnung mit einer Person die einer sehr gehobenen Gesellschaftsschicht angehörte. Vielleicht war ich dadurch etwas verunsichert. Diese Person verstand es aber durch höfliche Freundlichkeit mir das Gefühl zu vermitteln eine willkommene und interessante Gesprächspartnerin zu sein. Da war mein AHA-Erlebnis – guten Manierern sind nicht dazu selber gut dazustehen (wie ich bisher dachte) sondern Menschen Wohlbefinden zu vermitteln. Auf ganz einfache Weise kann man dadurch Gutes tun! (Auch) in diesem Sinn wünsche ich Euch einen schönen Tag!
Vielen herzlichen Dank, dass du dein Schlüsselerlebnis mit uns teilst!
So wichtig!
Dein AHA-Erlebnis berührt mich auf warmherzige und liebevolle Art.
Ja, so einfach kann es sein, Gutes zu tun.
Alles Liebe und auch dir einen schönen Tag,
Irmgard
Liebe Irmgard
Welch wohltuende Worte. Welch wichtiger Hinweis.Danke!!!
Allerdings. Mir persönlich ist es lieber , wenn jemand falsch höflich zu mir ist (zumindest Bitte Danke Guten Tag und Auf Wiedersehen) als echt respektlos.
Alles Liebe
Elisabeth
Liebe Elisabeth,
ja, da hast du Recht. Das verstehe ich auch sehr gut!
Gefällt mir sehr, seine Formulierung: besser falsch höflich als echt respektlos 🙂
Alles Liebe
Irmgard