Achtsamkeit. Ein kostbares Relikt aus der Vergangenheit. Jon Kabat-Zinn hat es bereits 1979 aus der Schatzkiste geholt, entstaubt und sein Programm zur Stressreduktion entwickelt, dem weitere Bücher und Meditationen folgten. Persönlich bekannter und geläufiger ist wohl die Unachtsamkeit. War man als Kind unaufmerksam, wurde man belehrt. Man wurde vielleicht sogar bestraft. Das kannte man und prägte sich ein.

Muscheln in Stein auf Malta
Achtsamkeit setzt nun etwas in Bewegung.
Die Macht der Achtsamkeit in Zeiten von Veränderung
Was bedeutet Achtsamkeit und warum ist sie gerade in Zeiten persönlicher Veränderung so wichtig?
Vieles in unserem Verhalten, einmal gelernt und oft genug wiederholt, hat sich über die Jahre in einen bequemen Automatismus eingeschliffen. Wir müssen nicht mehr darüber nachdenken, es funktioniert einfach. Wir funktionieren. Es ist jederzeit abrufbar, mit einer hohen inneren Sicherheit ausgestattet, so dass das Bewusstsein bei der Ausführung nicht unnötig belastet werden muss. Fest verankert und verdrahtet sind damit, je älter wir werden, immer mehr praktische Fähigkeiten, Gehirnleistungen, die auf Lernen und wiederholten Erfahrungen beruhen, aber auch Sichtweisen, Meinungen und Bewertungen.
In unserem Gehirn hat sich ein solides Gerüst gebildet, das sehr gut mit einer vorhersehbaren, immer gleich ablaufenden Welt korreliert. Damit einher geht aber auch ein innerer Mechanismus, der dann sofort aktiv wird, wenn es darum geht, eingefahrene Wege zu verlassen. Er ruft sofort das Einsatzkommando auf den Plan: den inneren Bedenkenträger, den inneren Widerwillen, den innere Mahner, den inneren Zauderer, den inneren Kritiker, den inneren Blockierer, den inneren Skeptiker, den inneren Verschieber, den inneren Verzögerer. Alle möglichen Geschütze werden aufgefahren in Momenten der Veränderung, die ein Abweichen von eingefahrenen Bahnen erfordern, mit dem einzigen Ziel, den bekannten Ursprungszustand ja nicht zu verändern.
Wie praktisch war da die weit verbreitete Sichtweise, dass man ab einem gewissen Alter nichts Neues mehr lernen kann! Stimmt das, oder war es doch nur der oben beschriebene Mechanismus, der mit einer Prise der Bequemlichkeit jegliches Weiterlernen und damit Weiterentwicklung verhinderte?
Unser Bewusstsein ist eine kostbare, aber offensichtlich begrenzte Ressource, deshalb ist es für uns so wichtig, ins Unbewusste auszuweichen. Am radikalsten scheinen wir in dieser Hinsicht zu werden, wenn wir vor lauter Multitasking gar nicht mehr wissen, was wir zuerst angreifen sollen. Unvergesslich wird mir, Stefan, eine finnische Taxifahrerin bleiben, die während der Fahrt in ihrer linken und rechten Hand jeweils ein Handy zwischen Lenkrad und Hand eingeklemmt hatte und mit den Daumen parallel Nachrichten schrieb.
Wir sind zu solchen besonderen „Höchstleistungen“ fähig, aber vieles muss und wird dabei ausgeblendet. Die Wahrnehmung konzentriert sich auf das, was wir für das vermeintlich Wichtigste halten, unsere Gefühle und damit auch unsere Bedürfnisse verlieren jeglichen Raum und werden ausgeblendet.
Irgendwann wird der Raum wieder frei und die innere Suche beginnt. Was mache ich nach einem langen Leben, wenn ich spüre, dass es Zeit ist, mich persönlich weiterzuentwickeln? Wenn ich spüre, dass Glück und Wohlbefinden in der bisherigen Lebensform nicht mehr zu finden sind. Wenn wir anfangen zu sehen, was für uns jetzt wichtig wäre. Dann können wir uns bewusst überzeugen, dann stimmen wir vorbehaltlos zu. Das ist der Weg, der jetzt in die eigene Zukunft und zum eigenen Glück führen soll.
Aber Achtung, die Erkenntnis ist noch keine Veränderung.
Wenn bestehende Programme abgelöst werden sollen, wenn Neues zum Standard und damit zur Normalität werden soll, dann beginnt ein längerer und durchaus auch mühsamer Weg. Dafür braucht es Unterstützung.
Mit Achtsamkeit in Veränderungen Wachstum fördern
Nämlich die Achtsamkeit, ja es braucht viel ACHTUNG gerade am Anfang, wenn vieles unbekannt und unbequem erscheint und ist. Die Achtsamkeit ist hier zum ersten Mal eine große Hilfe. Wie eine innere Autorität ermöglicht sie erst den wahren, bewussten Blick auf Missstände und Unangenehmes im eigenen Hinterhof. Die Achtsamkeit sorgt dafür, dass diese schmerzlichen Punkte nicht mehr ins Unbewusste verdrängt werden. Nein, der wiederkehrende Schmerz ist notwendig, um sich selbst achtsam zu ehrlichen und für sich notwendigen Schritten zu bewegen. Die Achtsamkeit bleibt nun idealerweise Teil des Weges, des Prozesses. Allzu schnell kehrt der ursprüngliche Automatismus zurück und verdrängt mit Vehemenz alle guten Absichten. Alle guten Vorsätze. Nein es braucht die Achtsamkeit als innere verlässliche Größe, wenn es um Veränderung, um das Verlassen eingefahrener Bahnen geht.
Nur durch Achtsamkeit wird im eigenen Bewusstsein im Augenblick ein Platz reserviert, der die Möglichkeit der Reflexion und damit der Reaktion auf eigene, nun mehr unerwünschte Automatismen ermöglicht. Es gilt, schonungslos in den jeweiligen Augenblick zu schauen und immer wieder zu korrigieren. Wir müssen uns selbst mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen, denn wir brauchen in all diesen Momenten jede Hilfe, die wir bekommen können. Unser Gegenüber in diesem Kampf ist sehr mächtig. Fast übermächtig. Es ist der andere, bewährte und daher bereits erfolgreiche Teil unseres eigenen Selbst.
Mit Achtsamkeit können wir uns nun auch freuen, wenn etwas gelingt, wenn wir Fortschritte machen. Wir können unsere Wahrnehmung neu justieren und ausrichten. Achtsam die kleinen, aber positiven Dinge im Außen wahrnehmen. Unsere Gefühle spüren, differenzieren, feinjustieren, weg von einem simplen mir geht’s gut oder mir geht’s schlecht. Nein, all die feinen Zwischentöne wahrnehmen und auch achtsam benennen können und ihnen damit etwas Besonderes einhauchen. Den Fokus auf die eigenen Bedürfnisse richten und auch da alles zulassen und einfühlsam betrachten. Sich achtsam neu justieren und ausrichten, ja das tut gut und ist auch der Schlüssel zu mehr Flexibilität bei Veränderungen im Außen.
Mit Achtsamkeit zu neuer Stabilität in Veränderung
Immer dann wenn wir uns selbst achtsam wahrnehmen, finden wir passende Lösungen und Antworten im oft turbulenten Alltag. Die Ereignisse und Geschehnisse, mit denen wir konfrontiert werden, können wir oft nicht beeinflussen. Sehr wohl aber das, was wir in unserer Wahrnehmung damit in uns selbst daraus machen.
Deshalb lohnt es sich, sich immer wieder in ACHTSAMKEIT zu üben. Sie ist der Auslöser, der Anfang, der Platzhalter im Bewusstsein, wenn es um Veränderung geht. Sie kann die Tür in uns öffnen.
Achtsamkeit – Tor zu uns selbst
• Wenn wir uns Raum und Zeit für uns selbst nehmen.
• Wenn wir uns mit uns selbst beschäftigen.
• Wenn wir wahrnehmen, dass uns unsere Veränderung gerade beflügelt.
• Wenn wir wahrnehmen, dass sich unsere Veränderung gerade unangenehm anfühlt.
• Wenn wir das akzeptieren und loslassen, um uns unseren wichtigen Bedürfnissen zuzuwenden.
• Wenn wir prüfen und entscheiden, was wir nicht mehr wollen, was wir loslassen, was wir gehen lassen. Weil es uns nicht gut tut. Weil es unsere Bedürfnisse aushöhlt und nicht unseren Werten entspricht.
• Wenn wir darauf achten, es nicht reflexartig wieder aufzunehmen.
• Wenn wir wählen, was uns gut tut, was wir tun wollen. Für uns. Für unsere Bedürfnisse, für unsere Werte.
Achtsamkeit ist der Platzhalter, mit dem wir beginnen. Das kann einmal ein bewusster Atemzug sein. Es kann eine Minute sein, eine Stunde, ein Spaziergang oder noch länger. Achtsamkeit ist der Platzhalter, der sich langsam immer weiter ausbreitet, sich ausdehnt. Mehr und mehr Raum schafft. Für dich und für das, was dir wichtig ist.
Achtsamkeit – Platzhalter, in dem wir Raum bekommen oder ihn uns nehmen.
Wenn wir in einem geschützten Rahmen von uns erzählen, über uns sprechen:
• Was uns beschäftigt, was uns bewegt.
• Wohin es uns zieht, wohin wir streben.
• Von all unseren Ideen, Träumen, Zielen und Werten und wie wir sie in unserem Leben verwirklichen wollen.
• Wenn wir andere einladen, neben uns Platz zu nehmen und mit uns das Bild zu betrachten, das wir auf das Feld der Möglichkeiten projizieren.
Achtsamkeit – wenn andere ihre Türen öffnen und wir wählen, Platz zu nehmen.
• Wenn wir Einblick bekommen in ihr Leben, ihre Erfahrungen, ihr Sein.
• Wenn wir bei anderen zu Gast sind und achtsam eintauchen.
• Wenn wir staunen und uns inspirieren lassen.
• Wenn wir wieder auftauchen und uns bedanken und verabschieden.
Wenn wir wieder Platz nehmen bei uns. In uns.
Zurück zu dir:
💛 Was hat sich dir eingebrannt?
💛 Wovon möchtest du dich lösen?
💛 Wo zieht es dich hin? Was ist dir wichtig? Wovon möchtest du mehr in deinem Leben? Ob in der Kommunikation, im Miteinander, in der Arbeit, zu Hause oder einfach „nur“ für dich!
💛 Wo installierst du Platzhalter für dich selbst?
Wenn du magst, kannst du uns schreiben. Wir freuen uns sehr darauf, von dir zu lesen!
Herzlichst,
Irmgard und Stefan

Stefan und Irmgard Wallner – Foto von Danila Amodeo
Nach und nach haben wir achtsam Raum für uns geschaffen. Was klein begonnen hat, ist groß gewachsen. Wie wohl das Atmen in diesen Räumen tut!
DANKE für diese Blickwinkel!
Achtsamkeit ist für mich der Schlüssel zum Glücklichsein.
Liebe Waltraud, herzlichen Dank für deinen Kommentar!
Liebe Grüße
Irmgard