Mit sich selbst in Kontakt sein, im Austausch sein. Sich selbst spüren können, wissen was einem selbst gut tut. Sich berühren, sich streicheln, sich wahrnehmen, sich einfach so annehmen, wie man ist. Diese Empfindungen zulassen können, nein nicht nur zulassen, sondern sie wertschätzen und als ganz normal annehmen. Das ist zutiefst natürlich.

Aber warum ist das für manche so schwer oder gar ein Tabu? Was ist in der eigenen Entwicklung schief gelaufen, was hat die Erziehung, was hat die Gesellschaft nicht vermittelt, nicht akzeptiert, nicht erlaubt? Was wurde im stillen Kämmerlein sogar ausgenutzt, führte zu Missbrauch, zum Verbot darüber zu sprechen? Was oder wer hat uns dabei und damit den positiven Zugang zu uns selbst genommen? Wo wurde vielleicht berechtigterweise gewarnt und verboten? Hat man uns damit nicht auch die Natürlichkeit und Schönheit des Körperkontakts genommen? Viele unangenehme Fragen begleiten dieses grundsätzlich wunderbare und zutiefst menschliche Thema.

Wir nehmen unsere Umwelt ständig mit unseren Sinnen wahr. Fünf Sinne sind etabliert und in unserer Wahrnehmung verankert. Sehen, Hören, Riechen und Schmecken stehen dabei im Mittelpunkt. Sie sind in unserem Alltag ständig präsent. Doch das mit Abstand größte Sinnesorgan im Kontakt mit unserer Außenwelt, nämlich unsere Körperoberfläche, die Tastsensoren unserer Haut, haben in unserem Alltag wohl die geringste bewusste Bedeutung. Diese besondere Wahrnehmung des Spürens und Berührens.

Schmerz, Kälte, Wärme, Druck, Zug, Dehnung nehmen wir über verschiedene Rezeptoren in der Hautoberfläche in unterschiedlichen Etappen der Reizleitung zum Gehirn wahr. Vieles hat einen lebenserhaltenden Sinn, ist gleichzeitig auch einfach wohltuend, angenehm.

Interessant. Wie die Informationen von unseren sensiblen Fingerspitzen im Gehirn ankommen, wenn wir unsere eigene Haut berühren, aber auch die Rückmeldungen von den berührten Stellen unseres Körpers. Wie bewusst hast du das schon einmal wahrgenommen? Wie sehr spürst du dich selbst von außen? Bei der Körperpflege? Wenn du nervös bist und du dich selbst an dir fest hältst, dir selbst über die Haut streichst? Wenn du gedankenverloren mit deinen Haaren spielst? Wie angenehm ist das für dich?

Die Dichte der Rezeptoren ist je nach Region unterschiedlich. Unsere Geschlechtsorgane reagieren viel empfindlicher als Teile des Rückens. Unsere persönliche Reaktion auf Berührungen ist zutiefst individuell. Wir spüren sofort, was uns unangenehm oder angenehm ist. Was uns abstößt und was uns gut tut. Welche Stellen an uns wir besonders stark und intensiv wahrnehmen, wenn sie berührt und stimuliert werden.

Zarte Berührungen, die an manchen Stellen unseres Körpers sehr wohltuend und auch erregend sind, können an anderen Stellen eher kitzeln und unangenehm sein. Dort kann eine kräftigere Berührung, eine Massage durchaus besser passen und als angenehmer empfunden werden. Sich selbst von Kopf bis Fuß kennen zu lernen, dafür ist es nie zu spät. Welche Körperteile des eigenen Körpers berührst du nur selten? Komische Frage.

Die Erfüllung des Bedürfnisses nach Körperkontakt kann uns wunderbare Gefühle schenken. Deshalb lohnt es sich, sich selbst zu erforschen und somit auch gut zu kennen.

Nur was ich kenne, weiß und als schön empfinde, kann ich auch mitteilen.

 

Wie bei der Befriedigung anderer Bedürfnisse ist es auch beim Körperkontakt wichtig sich mitzuteilen, die richtigen Worte zu finden. Seine Wünsche zu formulieren. Was hätte ich gerne? Eben eine offene Bitte, keine versteckte Forderung. Im Zusammenhang mit Körperkontakt und Sexualität ist das wohl das Wichtigste und Zentralste. Sich zu öffnen wie eine Blüte und sein Innerstes zu zeigen, das zwar sehr verletzlich aber unendlich kostbar und schön ist. Das erfordert Mut und Vertrauen.

In einer Partnerschaft gilt das natürlich für beide Seiten. Wir sind alle Menschen und haben oft eine ähnliche Erziehung genossen, besonders wenn wir in einem ähnlichen Alter sind. Die Gesellschaft der jeweiligen Epoche hat uns auf die eine oder andere Weise geprägt.

Deshalb fällt es nicht nur uns, sondern auch allen anderen Menschen nicht so leicht über Körperkontakt und die damit verbundenen Gefühle zu sprechen. Es braucht jemanden, der den Anfang macht und es muss bitte nicht perfekt sein. Und wieder ist dabei das Wunder des einfühlsamen Zuhörens gefragt. Kein Unterbrechen, kein Nachbohren oder ähnliches, nein einfach miteinander ausmachen, dass jeder von sich über Körperkontakt und Sexualität spricht, ohne von außen gesetzten Tabus. Ja und eben von SICH spricht, nicht über das, was man vielleicht irgendwo gesehen oder gehört hat. Erzählen, was man von sich weiß, aber durchaus auch, was man probieren und erfahren möchte. Um zu sehen oder vielmehr zu spüren, ob es einem gut tut.

Aussprechen lassen, stehen lassen können, wirken lassen können, kannst du das?

Damit öffnet sich wieder eine neue Tür und ein zentraler Raum in unserem persönlichen Haus. Durch wiederholtes Üben und Sprechen kommen wir uns näher und erkennen besser, was für uns WIRKLICH wichtig ist und ermöglichen unseren Nächsten einen wertvollen Einblick in diese Welt.

Körperkontakt und Sexualität ist nicht irgendeine Karte im sprache-verbindet Bedürfniskartenset. Nein, beides ist ein Grundbedürfnis wie jedes andere, nicht umsonst sind wir mit Tausenden von Rezeptoren ausgestattet. Neben den Schmerzrezeptoren gibt es auch solche, die uns, richtig berührt, mit einem Feuerwerk an angenehmen und erregenden Gefühlen in eine wunderbare Auszeit vom Alltag entführen können. Es lohnt sich also diese Welt zu ergründen und es ist nie zu spät dafür.

Körperkontakt. Sei es der Händedruck, die Umarmung, der Wangenkuss bei einer Begrüßung oder der intime Kontakt mit dem Partner, immer öffnen wir damit unsere unsichtbare Schutzhülle. Wir lassen Menschen an uns heran, in unsere empfindliche, aber auch empfindsame Zone. Nur so können wir spüren und berühren. Das ist Teil unserer Natur und damit auch ein vitaler Bestandteil unseres Seins. Niemand darf uns das nehmen, und zugleich wollen wir auch sehr behutsam damit umgehen.

Dazu brauchen wir die richtigen Worte, um Missverständnisse und Unangenehmes zu vermeiden. Deshalb lernen wir uns selbst besser kennen und üben, darüber zu sprechen, auch wenn wir uns anfangs unsicher fühlen.

Vergessen wir nicht, dass wir alle Menschen sind, die sich tief in ihrem Inneren nach Nähe, Berührung, Kontakt und natürlich Liebe sehnen.

Lassen wir es einfach zu.

Stefan und Irmgard Wallner – Foto: Danila Amodeo

Eines  der größten Geschenke: Über alles reden, sich alles zeigen können, wirklich und ehrlich in Kontakt sein!

WERTvoll für die Partnerschaft und für alle anderen Arten von Beziehung!