Diese eine Stelle. Wenn du selbst ein Instrument spielst, kennst du sie wahrscheinlich. Diese eine Stelle im neu gelernten Stück. Die Stelle, die von Anfang an schwierig war. An der sich dieser unüberhörbare Fehler eingeschlichen hat.

Du übst. Du spielst. Du spielst das Stück immer wieder.

Es wird besser. Es wird leichter. Es wird flüssiger. Alles klingt wunderbar, bis auf diese kleine Stelle.

Du korrigierst die Fehlerstelle nicht durch langsames, gezieltes, richtiges Wiederholen. Die Zeit und Muse hast du nicht!

Du freust dich über den Rest und spielst über den Fehler hinweg. Du lernst, dich irgendwie drüber zu schummeln. Dich irgendwie drüber zu retten. Je näher du der heiklen Stelle kommst, desto schärfer wird der Blick, desto konzentrierter die Ausrichtung, desto steifer die Haltung. Du siehst es schon kommen. Und dann passiert es. Du stolperst wieder.

Warum ist das so? Was lässt in uns diese unglaubliche Hartnäckigkeit entstehen?

Automatismen

Unser Gehirn liebt es, ganze Abläufe zu automatisieren. Die Bandbreite der schlafwandlerisch funktionierenden Handfertigkeiten und Bewegungsabläufe vom Autofahren bis zum Skifahren ist groß. Aber auch geistige Fähigkeiten wie Rechnen, Lesen, Schreiben, Fremdsprachen beherrschen. Alles Bestandteile eines zufriedenen und genussvollen Lebens, wenn sie als gekonnt abgespeichert sind. Ohne Zweifel und ohne Angst. Wie beruhigend.

Automatismen gehören zu unserem Leben, wir brauchen sie, sie geben uns Sicherheit, sparen Energie und halten den Kopf frei für Neues, für Unerwartetes, für bewusst Gewähltes. Nur ist die innere Auswahl der Automatismen meist unwillkürlich. Dabei wird nicht zwischen Nützlichem und Unnützem unterschieden, sondern die ständige bewusste und auch unbewusste Wiederholung macht es aus. Irgendwann schaltet sich das Unbewusste ein, übernimmt sanft und unbemerkt das Ruder. So schleichen sich oft auch hinderliche oder störende Gewohnheiten in unseren Alltag ein. Unsinnige Bewegungsticks, Fehlhaltungen, übermäßiges Essverhalten oder aber auch unkontrollierte Abhängigkeiten von Rauchen zu Alkoholkonsum und anderen Suchtmitteln machen uns das Leben letztendlich schwer.

Automatismen ändern

Aber wie wird man unerwünschte Gewohnheiten wieder los, wenn sie sich so hartnäckig und unauslöschlich in das eigene Leben eingegraben haben?

Etwas Neues muss her! Etwas, das in deinem Sinne prominent genug Platz vor ihnen einnehmen kann. Etwas, das das Unerwünschte in den Hintergrund drängt. Der Weg zu solch einem erfolgreichen neuen Automatismus kann langsam oder schnell sein. Er ist nie gleich und deshalb auch nicht vorhersehbar.

Hörst du zu früh damit auf, versinkt es sang- und klanglos im Zustand des Unfertigen. Verliert sich das Gewünschte im nicht verfügbaren Unbewussten. Daher zählt jede Wiederholung, jede Übung! Kleinweise ausdehnen. Sich öfter erinnern, länger tun. Die zeitliche Ausdehnung sichert, dass es irgendwann sitzt.

Schlechte Gewohnheiten haben es aufgrund der niedrigen Hemmschwelle, die durch Werbung und Konsum ausgelöst wird, viel leichter. Die Tafel Schokolade, die Packung Chips, die Flasche Wein sind im Handumdrehen geöffnet. Der grüne ON-Knopf auf der Fernbedienung des Fernsehers, das gespeicherte Passwortlogo für den Netflix-Zugang, die Apps für Social Media und der Zugang zum Online-Shopping sind nur einen Daumendruck entfernt. Welch einfacher Lustgewinn bietet sich uns bei völlig passiver Teilnahme an einer virtuellen Welt!

Das große Kontrastprogramm dazu eröffnet sich bei persönlich bedeutsamen, bei persönlich sinnvollen Themen! Wenn du aus dir heraus etwas Neues lernen oder entstehen lassen willst. Wenn du bewusst agieren statt unbewusst reagieren willst.

Wie du den Sprung schaffst

Wie schaffst du den Sprung, damit es automatisiert wird? Wie kompromisslos musst du dabei sein?

Es gibt Menschen, die in der gleichen Zeit scheinbar so viel mehr schaffen als wir. Von außen betrachtet sehen wir nur die Spitze des Berges! Ihren Gipfelsieg! Ihre vollendeten Ergebnisse! Bewundernswert. Beneidenswert.

Wir sehen nicht, wie sie Schritt für Schritt den Stein nach oben gewälzt haben. Wir sehen nicht, wie oft sie sich entschieden haben, nicht aufzugeben. Nicht auf halbem Weg. Nicht kurz vor dem Gipfel. Wie oft sie nicht den kurzfristig leichter scheinenden Weg gewählt und den Stein selbständig nach unten rollen haben lassen. Um mit irgendetwas anderem neu von Grund auf zu beginnen. Um sich erneut über die ersten harten Meter zu plagen, um es dann doch wieder sein zu lassen. Sie haben die Zahl ihrer Fehlversuche radikal reduziert. Sind sich selbst und ihren Zielen treu geblieben. 

Zeit effektiv nutzen

Einmal ein Instrument konsequent und ausdauernd richtig gelernt im Gegensatz zu endlosen Lernversuchen, die immer wieder zu früh abgebrochen werden. Einmal eine Sprache oder eine Fertigkeit konsequent und beharrlich trainiert im Gegensatz zu halbherzigen Versuchen.

Selbstbestätigung statt Frustration stellt sich ein.

Was wäre alles in der gleichen Zeit mit der gleichen Energie möglich, wenn wir diesen Schlüssel auch für uns entdecken würden?

Lassen wir diesen Gedanken einmal auf uns wirken.

Bewusst lebensWERT leben und wertschätzend kommunizieren

Kluge Ratgeber, Zitate in SocialMedia, philosophische Vorträge, ja klar, wer das hört oder liest, dem leuchtet das ein. Mit dem wiederholten Hören und Lesen gepaart mit guten Vorsätzen ist allenfalls ein Automatismus im Hören und Lesen entstanden. Es entsteht kein Automatismus zu einem anderen Verhalten in einem selbst!

Es ist im besten Fall der Anfang einer Reise, die aber auch gleich wieder zu Ende sein kann, wenn andere Themen im Alltag die Oberhand gewinnen.

Die Anwendung der Gewaltfreien Kommunikation ist da keine Ausnahme. Wie oft heißt es, es sei einfach, aber nicht leicht! Es sei super einleuchtend, aber in den entscheidenden Momenten gelingt es einfach nicht.

Warum ist das so?

Weil es viel Übung und Wiederholung und Bewusstsein braucht. Vor allem, wenn es um komplexe Lebensbereiche geht, die nicht immer gleich ablaufen.

Es braucht Zeit und viel Bewusstsein.

Bewusstsein ist unsere kostbare Ressource, um die viele Themen buhlen. Da haben es Themen leicht, die nüchtern betrachtet, keinen weiteren Gedanken wert wären. Die jedoch gewohnte Denkmuster in Gang setzen und emotionale Reaktionen hervorufen. Die aufwühlen, die aufregen, auf die Palme treiben oder in den Keller des Trübsals ziehen. Blödsinnige Themen, die einfach und simpel sind, die schnell Raum bekommen und sich hartnäckig festsetzen.

Einmal in Ruhe unter dem Mikroskop beleuchtet, lösen sie sich in Luft auf oder sind Geburtsstätte WESENtlicher Entscheidungen.

Eine grundlegende Veränderung des Lebens, und dazu zählt auch das aktive Nutzen der Gewaltfreien Kommunikation in den unterschiedlichsten Lebensbereichen, erfordert viel Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Geduld. Bewusst wahrnehmen, sich selbst wiederholt unter die Lupe nehmen, sich Ausprobieren und Üben ist das Programm.

Dabei geht es nicht um Perfektion, sondern darum, aus den gegebenen Situationen das Beste im Sinne der eigenen Werte zu machen!

  • Immer wieder bewusst mit den eigenen Bedürfnissen und Werten in Kontakt kommen, verbunden sein!
  • Sich immer wieder bewusst machen und sein, was im persönlichen Leben wichtig ist!
  • Immer wieder WERT schätzen!
  • Sich immer wieder neu ausrichten auf das, was wirklich wichtig ist im Leben!
  • Unterschiedliche Prüfungssituationen erkennen, sich Zeit nehmen und bewusst handeln!

 

SAPERE AUDE! 

Wage es, weise zu sein. So lautete schon Emanuel Kants Motto für die Aufklärung.

Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.

Bewusstes Handeln im eigenen Interesse kann zum Lebensmotto und damit zum Lebensmotor werden.
Lebensentscheidungen treffen und dann den neuen Weg bis zum Gipfel gehen, auch wenn es mühsam ist.

Nur was automatisiert ist, hat Bestand. Bewährt sich in Ausnahmesituationen und gibt dadurch Sicherheit und Halt. Nicht nur vage erwägen, sondern präzise festhalten und damit zum persönlichen Leitsatz machen.

Aufgeschrieben und damit jederzeit abrufbar, lässt sich eine neue Lebensphilosophie fest und bewusst in den Alltag integrieren.

Die bewusste Entscheidung zum Handeln macht den Unterschied.

👉 ICH LASSE MICH NICHT MEHR DAVON ABBRINGEN, EGAL WELCHE AUSREDEN MIR IN DEN SINN KOMMEN!

👉 ICH BLEIBE DRAN, AUCH WENN ICH RÜCKSCHLÄGE ERLEIDE!

👉 ICH BLEIBE DRAN, AUCH WENN ICH RÜCKSCHRITTE MACHE.

👉 ICH BIN ES MIR WERT, DESHALB GEBE ICH DER VERÄNDERUNG DEN RAUM UND DIE ZEIT, DIE SIE BRAUCHT, UM SICH IN MEINEM LEBEN ZU ENTWICKELN.

👉 SOBALD EINE FRAGE IN MIR AUFTAUCHT, ÜBERNEHME ICH VERANTWORTUNG.

👉 ICH HALTE INNE UND GEBE MEINE ANTWORTEN AUF DIESE FRAGEN:

  • Was ist jetzt beobachtbar?
  • Wie fühle ich mich dabei?
  • Welche BEDÜRFNISSE und WERTE sind mir wichtig? Für die gegenwärtige Situation und für meine Zukunft?
  • Was ist jetzt das Wichtigste?
  • Welchen kleinen Schritt in die richtige Richtung möchte ich machen?

 

💛 Wohin geht deine Reise?

💛 Was möchtest du automatisieren?

Wenn du magst, kannst du uns schreiben! Wir freuen uns darauf, von dir zu lesen!
Herzlichst,
Irmgard und Stefan

Stefan und Irmgard Wallner – Foto: Danila Amodeo

 

Bewusste Entscheidungen, jedesmal aufs Neue, brauchen Zeit. Zeit, die Sachlage in Ruhe zu begutachten. Zeit, der Frage nachzugehen: Was bedeutet das für uns? Zeit, zu erkennen: Was bedeutet das für uns für das, was uns wichtig ist? Und: Was und wie entscheiden wir zu tun?
Unsere Erkenntnis, die wir dazu gewonnen haben: Je mehr Zeit und Ruhe wir uns dafür nehmen, umso klarer und eindeutiger fallen unsere Antworten aus. Dadurch fällt vieles Unnötige weg, was uns wiederum mehr Zeit und Raum schenkt!

 

 

Beitagsbild von Noey Smiley