Nachdem wir den Termin online gebucht haben, sitzen wir nun im Wartezimmer und warten darauf, aufgerufen zu werden. Nach uns kommt eine Patientin. Die Tür öffnet sich und die Ärztin bittet diese Dame in ihr Behandlungszimmer. Wir sind etwas verwundert, denn wir waren pünktlich und hätten uns erWARTEt, als Nächstes dran zu sein. Also warten wir weiter. Eine Viertelstunde vergeht. Eine andere Patientin kommt und setzt sich auf das Sofa neben uns. Als nach einer Weile die Tür aufgeht, sind wir wieder nicht dran, was uns irritiert. Nach kurzer Rücksprache mit der Ärztin stellen wir fest, dass sich bei der Online-Buchung ein „kleiner“ Fehler eingeschlichen hat und unser Termin um diese Uhrzeit, aber erst in einem Monat eingetragen ist. Wir waren uns völlig sicher und hatten eine feste Erwartung. Die Realität sah anders aus.
Vom Warten und Erwarten
Wie oft passiert es, dass wir in einer passiven Position, ohne etwas zu sagen, auf etwas warten und nichts passiert? Die anderen sollten etwas tun, aber das mit der Telepathie scheint nicht richtig zu funktionieren. Wissen sie überhaupt, was sie in unserem Interesse tun müssen, damit unsere Erwartungen erfüllt werden? Und warum müssen ausgerechnet WIR so oft und so viel erwarten? Haben wir unsere Gedanken nicht klar genug nonverbal kommuniziert?
Wie viel Lebenszeit auf Dauer verbringen wir damit, in einem solchen ab-wartenden Ist-Zustand zu verweilen? Wenn wir jetzt nichts aktiv tun können, weil erst unsere Erwartungen erfüllt werden müssen.
Haben wir diese Erwartungen tatsächlich als klare Bitte an andere oder an uns selbst gerichtet?
Oder dreht sich unser Sehnen um eine unklare Handlung, von der wir nicht einmal selbst genau wissen, wie die Erfüllung aussehen wird?
Dann warten wir einfach, wie auf einem Bahnhof, ohne zu wissen, wann und wohin der nächste Zug fährt. Im Warten fühlen wir uns wenigstens einmal aufgehoben. Denn wir haben ja gar keine Möglichkeit, etwas anderes zu tun, weil wir ja erst einmal WARTEN. Sehr praktisch, vielleicht fällt uns dabei auch ein, was genau wir von dem/der anderen haben wollen. Und im Warten sind wir Weltmeister geworden.
Je öfter wir keine Erfüllung bekommen, was wahrscheinlich ist, da wir ja selbst nicht genau wissen, wie diese Erfüllung aussehen soll, desto länger bleiben wir in unserem persönlichen Wartesaal.
Arten von Erwartungen
Wie entstehen Erwartungen überhaupt? Sind sie nicht auch eine Form des auf die lange Bank Schiebens? Eine Art Nebengleis, auf dem wir uns abstellen, wenn gerade keine Lösung in Sicht ist. Eine Art Valium fürs Gemüt?
Erwartungen an uns selbst
Beginnen wir mit den Erwartungen an uns selbst. Warum können wir diese Erwartungen nicht gleich erfüllen oder zumindest in Angriff nehmen? Ins Handeln kommen. Ach? Warten an sich ist schon eine Handlung? Die Entscheidung ist, in diesen Dingen nichts zu tun und diesen Stillstand mit Sehnsucht oder Wunschgedanken zu garnieren.
Eine Sprache fließend sprechen, ein Musikinstrument mit Hingabe spielen können, mehr Zeit zum Meditieren haben, endlich ausmisten, beweglicher und fitter werden, gesünder leben. Aufregende Reiseziele. Große Karrieresprünge. Mehr von dem einen, weniger von dem anderen. Schön wär’s! Wie sieht deine Liste aus?
Hast du dich erst einmal für das Warten entschieden, weißt du nicht, wie lange dieser Zustand andauern wird. Sind Erwartungen tatsächlich so etwas wie Ziele? Oder nur Nebelschwaden, die uns den klaren Blick versperren?
Was sind deine Erwartungen? Niedrige Erwartungen oder zu hohe Erwartungen sind uns sehr vertraut. Je nachdem. Was ist das Ziel als Messlatte oder gibt es das gar nicht und wir arbeiten nur mit diffusen Erwartungen eben?
Aber es gibt Situationen, in denen sie nützlich sein können. Wenn etwas länger dauert oder der richtige Zeitpunkt noch nicht gekommen ist, wir aber genau wissen, was passieren muss, damit wir zur Tat schreiten können. In diesen Fällen gibt es einen Punkt, der deutlich sichtbar ist und das Ende des Wartens klar anzeigt.
Erwartungen an andere
Was erwarten wir von anderen? All die unausgesprochenen Erwartungen im familiären und beruflichen Umfeld.
Die eigenen Kinder zum Beispiel sind dafür sehr gut geeignet. Dass sie sich ordentlich benehmen, ihre Sachen sofort aufräumen, dass sie fleißig und brav und selbstständig lernen, dass sie ihre Hausaufgaben machen und sofort kommen, wenn man sie ruft. Dass aus ihnen mal etwas wird. Später sollen sie uns regelmäßig anrufen, besuchen oder einladen. Die Liste lässt sich beliebig und endlos fortsetzen. Das müssen die eigenen Kinder doch sehen, das müssen sie doch merken! Mit jedem weiteren Ereignis, das nicht eintritt, verhärten sich unsere inneren Erwartungen mehr und mehr. Das muss doch klar sein. Man könnte meinen, die machen das zu Fleiß, denn das, was wir von ihnen erwarten, liegt ja, sagen wir mal, imaginär auf dem Tisch. Wie? Sie können es nicht hören? Sie haben unsere Botschaft nicht über den Äther empfangen? Unmöglich!
Und vor allem unser lieber Partner. Er kennt uns in- und auswendig. Der weiß genau, was wir mögen, lieben und schätzen! Was wir gerne haben, was wir erwarten und was uns wichtig ist. Er weiß um die vielen unausgesprochenen und erahnt doch unsere heimlichen Erwartungen. Hoffentlich. Irgendwann. Auf jeden Fall erwarten wir, dass er anspricht, wenn etwas nicht passt. Oder dass er vom Einkaufen das mit nach Hause bringt, was wir uns erhoffen. Nicht konformes Handeln kann da nur bedeuten, dass er unwillig ist und unsere Erwartungen bewusst übergeht.
Der Bürokollege hat keine Manieren, so benimmt man sich nicht. Im Gemeinschaftsraum kann ich doch wenigstens ein Mindestmaß an Höflichkeit und Ordnung erwarten. Sein Verhalten ist nichts anderes als eine bewusste Missachtung mir gegenüber.
Erwartungen lassen sich an alle möglichen Personen heften. Damit ausgestattet, können wir nach ihnen Ausschau halten, wie nach dem Bus, auf den wir warten, mit Argusaugen beobachten, ob sie wohl, wenigstens einmal, irgendwann, das Richtige tun.
Von diffusen Erwartungen und bildschönen Wünschen
Was bringen uns diese Erwartungen, haben wir etwas davon? Wird die Welt für uns dadurch berechenbarer und sicherer? Oder brauchen wir sie als Schubladen, um Ordnung in unser Leben zu bringen? Bilden Erwartungen eine Art berechenbares Netz für uns, egal wie richtig oder falsch sie sich erweisen? Wird dadurch unser persönliches Wertebild nach außen abgesichert, geschützt?
Erwartungen sind eine sehnsuchtsvolle Stimme in dir!
Wie wäre es, wenn du ihr Raum gibst, ihr einmal in Ruhe zuhörst? Sie erzählen lässt. Was, wenn du all deine Träume, Wünsche und Erwartungen aus dem Unbewussten ins Bewusstsein holst und zu Papier bringst? Unter die Lupe nimmst? Was sind deine Bedürfnisse, die in diesem Stück die Hintergrundmusik spielen? Was ist dir wichtig? Worum geht es dir wirklich?
Traust du dich, deine Erwartungen in klare Bitten zu gießen? Nur einmal am Papier? Sie jemandem anzuvertrauen? Und schließlich, danach zu fragen? Und dich überraschen zu lassen, was passiert?
Doch warum nicht überhaupt überraschen lassen?
All deine Erwartungen zusammenpacken, zu einem großen Ball formen und nach draußen werfen. Nichts zu erwarten bedeutet nicht, kein Interesse zu haben, es bedeutet vielmehr, erwartungs-los und frei zu sein!
Frei von diffusen oder bestimmten Vor-stellungen. Offen, neugierig und interessiert sein für das, was kommt. Ohne Erwartungen auf Situationen, Menschen, Projekte zugehen. Sich überraschen lassen von der Vielfalt der Möglichkeiten und Ideen, an die man gar nicht gedacht hat!
Wie bunt und spannend das Leben sein kann!
Schließlich wäre es auch hilfreich, genau zu wissen, was wir von wem wollen. Sich erst einmal innerlich klar zu werden und dann nicht im stillen Warten zu verharren, sondern sich im Kontrast dazu mit einem nachvollziehbaren WUNSCH nach außen zu wenden.
Auszusprechen und im Austausch genau in diesem Moment zu erfahren, wie unser Gegenüber darüber denkt. So würde der gleiche Ursprungsgedanke nicht als Erwartung in uns verbleiben, sondern sich offen als Wunsch nach außen präsentieren. Wir könnten uns entspannt zurücklehnen und uns über das Engagement in eigener Sache freuen. Was entwickelt sich daraus?
Lass dich überraschen!
Was erwartest du?
Welche Erwartungen hast du an mich und uns?
Wir sind gespannt darauf, von dir zu lesen!

Stefan und Irmgard Wallner, Foto: Danila Amodeo
… und manchmal ist es einfach aufregend und schön. Die eigenen Erwartungen in Worte zu kleiden, sich damit zu zeigen. Die Erwartungen des anderen in Empfang zu nehmen. Achtsam. Und einfach einmal wirken lassen!
hello ihr zwei lieben, ja ich hab mir 2013 eine Liste vor der Kiste gemacht .
Hin und wieder kommt etwas dazu und wenn ich etwas davon gemacht habe schreibe ich das Datum dazu.
Es ist schon spannend, sie immer wieder hervorzuholen und manche Dinge haben sich verändert auf meiner „Liste vor der Kiste“ .
Das Erwartungs-los ist für mich persönlich ein schweres Wort , da ich sogar im Zustand der Erwartung -losigkeit Neugierig und offen bin und somit ja frei für Ereignisse bin sogar drauf warte ….ich glaube den Zustand der Erwartungs-losigkeit habe ich noch nicht geschafft , da ich dann schon brenne und warte , was wird es , wie wird es …..da gab ich ubungsbedarf…..
ein absolut spannendes Thema….ich bin immer voller Vorfreude und Neugierig auf die Artikel und gespannt welches Thema kommt ….also erwarte ich mir Erfüllung damit